9.12.2017

Avinu Malkeinu

 

Wer sich eine eigene Meinung bilden möchte zu Trumps Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels tut gut daran, für ausreichende Hintergrundinfo drei Beiträge auf Audiatur Online zu lesen. Dort bemüht man sich um Zusammenhänge, „die andere weglassen“ und um „ehrliche Debatte zu Israel und dem Nahen Osten“, die nur dann zielführend ist, wenn alle Fakten auf dem Tisch sind.

 

Der erste Beitrag zur Sache, von einem israelischen Staatsarchivar, titelt „Jerusalem – die Hauptstadt Israels“. Nach einem historischen Schlenker zieht er den Schluss: „Die fast weltweite Ablehnung von Präsident Trumps Anerkennung der Tatsache, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels ist, sieht viel düsterer aus als eine bloße Meinungsverschiedenheit über den besten Weg zur Förderung eines spekulativen Friedensabkommens … Für mich als Israeli sieht es aus, wie eine Fortführung eines uralten Beharrens auf der Forderung, dass die Juden das sein müssen, was die anderen sagen, und dass sie sich so verhalten müssen, wie die anderen es verlangen, damit sie akzeptiert werden. Es darf einfach nicht sein, dass Jerusalem die Hauptstadt des jüdischen Staates ist, weil das heißen würde, dass die Juden tatsächlich zu einer nationalen Normalität zurückgekehrt wären, und dass sie eine Nation und ein Staat sind, wie alle anderen.“

 

Der zweite Beitrag von Audiatur titelt „EU an Trump: Ernsthafte Auswirkungen, wenn die USA Jerusalem als Hauptstadt anerkennen“. „Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, gab am Dienstag eine Erklärung heraus, in der sie das Weiße Haus vor 'Konsequenzen' warnte, wenn es entweder seine Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte oder sogar offiziell die Anerkennung der Stadt als Hauptstadt Israels erklärte.“ Der Schwerpunkt solle auf den Bemühungen liegen, den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Dass Trump genau das vorhatte mit seiner Erklärung, ist aus der bei Achgut veröffentlichten Übersetzung seiner Rede nachlesbar: „Israel ist eine souveräne Nation, die wie jede andere souveräne Nation das Recht hat, ihre eigene Hauptstadt zu bestimmen. Die Anerkennung dieser Tatsache ist eine notwendige Voraussetzung für die Erreichung des Friedens.“ Zum Hintergrund von Federica Mogherini, die auch als Stellvertreterin von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fungiert, siehe das Porträt bei Journal 21.

 

Im dritten Beitrag titelt Redaktion Audiatur: „UN verurteilt wieder Israel und leugnet jüdisch-christliches Erbe“. Letzte Woche brachten arabische Länder sechs israelbezogene Resolutionen in die UN-Generalversammlung ein. Eine davon: Den Tempelberg solle man ausschließlich beim islamischen Namen „Haram al-Sharif“ nennen, obwohl selbst die Unesco diese Terminologie nicht mehr toleriere. „Die Generalversammlung (sollte) sich nicht an der Leugnung jüdischen und christlichen Erbes beteiligen“, meint dazu Hillel Neuer von der Überwachungsorganisation UN Watch. Die Resolution wurde mit 151 Ja-Stimmen und sechs Nein-Stimmen bei neun Enthaltungen verabschiedet. Alle deutschsprachigen Länder – Österreich, Deutschland und die Schweiz – stimmten für die Resolution. 

 

Den deutsch-israelischen Historiker Michael Wolffsohn, der bereits an anderer Stelle das „zur Folklore verkümmerte Christentum“ beklagte, zitiert die Heilbronner Stimme: „Die Aufregung über eine Verlegung der US-Botschaft nach West-Jerusalem wird kommen. Sie wird auch vergehen, schnell vergehen. Wer Tatsachen nicht anerkennt, ist friedensunfähig.“ Es steht aber zu befürchten, dass die bisher von den VN beschmusten Akteure tatsächlich friedensunfähig sind und die Aufregung folglich nicht schnell vergehen wird. „Jerusalem: Ein Toter und mindestens 760 Verletzte bei Unruhen“, berichtet das luxemburgische Tageblatt. Im Iran und anderswo brennen US-Flaggen, in Europa organisiert Milli Görüs – in Köln läuft ein Prozess gegen Ex-Funktionäre – in 14 EU-Hauptstädten Aktionen vor US-Botschaften, die radikalislamische Hamas ruft einen neuen Palästinenseraufstand aus. Und von der FAZ erfährt man: Botschafterin Nikki Haley im UN-Sicherheitsrat verteidigte Trumps Entscheidung „ohne Erfolg“. 

 

Es sieht eher nicht gut aus mit dem Frieden in der Welt. Das liegt auch daran, dass ganze Gruppen aggressionsgeladener, radikalislamisch erzogener Aktivisten nur darauf warten weitere Gründe zu finden, um sich zu entladen; auch unter Berufung auf Religion, obwohl sie mit ihrer emotionalen Verfasstheit weit davon entfernt sind. Sanftmütigere Zeitgeister auf der anderen Seite würden vielleicht eine Aktion wenigstens zum Zweck der systemischen Störung begrüßen, die darin bestünde, in Jerusalem einmal dieses Video öffentlichkeitswirksam abzuspielen. 

 

Nachtrag: Stefan Frank bei Audiatur: "Was in dieser Debatte als bare Münze zirkuliert, ist offensichtliches Falschgeld." Er verweist darauf, dass "die Unesco jegliche Verbindung der Juden zu Jerusalem" leugne und Tschechien nur Stunden nach Trumps Rede Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannte und afrikanische Staaten folgen könnten. Außerdem bei der Jüdischen Allgemeinen: "Westliche Demokratien sollten sich von ihrer unglaubwürdigen Appeasement-Politik gegenüber arabischen Despoten abwenden." 

 

Nachtrag vom 10.12.: Die EU zündelt, indem sie antisemitische Einstellungen bedient: „Die EU will 1,2 Millionen Euro von Israel als Entschädigung für humanitäre Projekte in Palästina, die mit EU-Mittel finanziert und von der israelischen Armee zerstört wurden“, titelt die FR. „Im Namen der europäischen Steuerzahler“, für die sich die EU bisher nie interessiert hat, fordere man den EU-Kostenanteil mit Zahlungsfrist zum 31. Dezember (!) zurück“. EU-Außenpolitik-Chefin Federica Mogherini plane bereits ein Treffen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas. Zur ewigen Trump-Hetze der Mainstreampresse siehe ein Leserkommentar bei Achgut: "Ich frage mich schon länger, wie es sein kann, dass...Journalisten und Politiker offenbar immun gegen jedes einleuchtende und vernünftige Argument sind...Vielleicht geht ihnen einfach die Muffe, sie denken vielleicht, wenn man ganz nett zu diesen Fanatikern ist, dann tun sie einem nichts. Oder insgeheim sympathisieren sie mit deren Vorstellungen hinsichtlich Israel." Außerdem: Bei einer Pro-Palästina-Demo in Berlin - Motto „Jerusalem wird immer Hauptstadt Palästinas sein“ - brannte wieder eine Fahne mit Davidstern. 300 Polizisten schritten nicht ein. Bisher rufen folgende Politiker medienwirksam zum Kampf gegen Antisemitismus auf: Stephan Mayer (CSU), Jens Spahn (CDU), Alexander Graf Lambsdorff (FDP); via Euronews und Bild: Michael Müller (SPD), Sigmar Gabriel (SPD), Heiko Maas (SPD), Volker Beck (Grüne) und einige weitere. Inwiefern der Aufruf kompatibel ist mit sonstigem Verhalten manch eines Verantwortlichen, bliebe gesondert zu recherchieren. 

 

Nachtrag vom 11.12.: Bild präsentiert eine Umfrage unter 68 Männern und Frauen aus Syrien und Irak des Antisemitismusforschers Günther Jikeli vor dem Hintergrund, dass in vielen arabischen Ländern Israelhass in Lehrplänen steht. "Judenfeindliche Ressentiments, antisemitische Verschwörungstheorien und eine kategorische Ablehnung Israels sind bei vielen Flüchtlingen aus dem arabischen Raum weit verbreitet.“ Die Klarheit einiger Aussagen habe überrascht. „Das Problem ist schwieriger als von manch einem angenommen.“ Eine Expertin fordert die Ernennung eines Antisemitismusbeauftragten: „Wir haben in Deutschland eine besondere Verantwortung und sollten die Bekämpfung des Antisemitismus zum Staatsauftrag machen." Außerdem: Der Zentralrat der Juden ist besorgt über Verbrennung israelischer Flaggen und appelliert an muslimische Verbände, mäßigend auf ihre Mitglieder einzuwirken.

 

Nachtrag vom 12.12.: Rechtsanwältin Seyran Ateş wundert sich über die linke Szene: „Wenn Nazis aufmarschieren und rassistische, antisemitische Sprüche schreien, dann gibt es immer wieder von links auch Gegendemonstranten. Wo sind die Gegendemonstranten?…dass hier ein Antisemitismus gepflegt wird, der dann auch noch von der Linken nicht entsprechend beantwortet wird, das finde ich sehr erschreckend.“ Der Spiegel fragt: „Wo bleibt die #MeJew-Debatte?“ und berichtet: „Antisemitismus in Schweden - Regierung schlägt Alarm.“ Brisant angesichts der Anschmeichelei an den Iran seitens der deutschen Politik auch dies: „Für Irans Präsident Rohani geht es bei der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels um 'mehr als Politik'. Sein Land will deshalb Palästinenser beim Widerstand gegen den Erzfeind unterstützen.“ Eine Kognitionsexpertin: Alte judenfeindliche Phantasien werden heute eins zu eins auf Israel projiziert. „Der Holocaust hat hier erschreckenderweise keine Zäsur gebracht…Vor allem der linke und muslimische Antisemitismus hätten zuletzt zugenommen.“ 

 

Nachtrag vom 13.12.: Die Zeit: "Ein Sondergipfel von mehr als 50 islamischen Staaten hat als Reaktion auf das umstrittene Vorgehen der USA Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines Palästinenserstaates anerkannt." Zur Lage in Berlin siehe hier. RP Online berichtet: „Schon seit Jahren traut sich kaum jemand in Wuppertal und in vielen anderen deutschen Städten, die Kippa offen zu tragen.“ Und die Welt titelt: „Judenfeinde hetzen auf Facebook-Seite der Bundesregierung.“ Ein Leserkommentar dazu: „Es gibt Dinge, die entwickeln eine Eigendynamik, wenn man schon bei den Anfängen nicht reagiert. Diese Eigendynamik ist schon voll ins Laufen gekommen und es wird schwer sein, das zu stoppen.“ 

 

Nachtrag vom 14.12.: „Trump ist nicht schuld am Hass auf die Juden“: Die FAZ bietet einen lesenswerten Beitrag: „Der...zu beobachtende Aufstieg nationalistischer Bewegungen lässt viele glauben, vor allem die extreme Rechte sei für die Wiederkehr des Antisemitismus verantwortlich. Aber die Fakten zeigen, dass diese Annahme falsch ist. Antisemitische Vorfälle in Europa gehen hauptsächlich auf Muslime zurück, während die politische Linke einen starken zweiten Platz einnimmt.“ Und die Bild versucht Antwort zu finden: Warum demonstrieren Deutsche nur gegen deutschen, aber nicht gegen muslimischen Antisemitismus? Außerdem titelt die WAZ: "Jüdische Feste in NRW wegen Sicherheitsbedenken abgesagt."

 

Nachtrag vom 15.12.: Die Welt: „Miss Irak“ bekommt Todesdrohung nach Selfie mit „Miss Israel“. Audiatur: „Jüdischer Junge erlebt Gewalt, weil er Jude ist, an einer deutschen Schule.“ Arabische Mitschüler skandieren: „Wallah, Hitler war gut, denn er hat die Juden umgebracht. Er war ein guter Mann.“ Anderweitiger Aufruf: „Lassen Sie nicht zu, dass Präsident Trumps Entscheidung, sein Versprechen, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, einzuhalten, die neueste Entschuldigung für palästinensische Anführer wird, um sich zu weigern, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und die schmerzhaften Kompromisse einzugehen, die erforderlich sind, um eine vollständige Lösung der ausstehenden Fragen zu erzielen…Es ist an der Zeit, der Gewalt als diplomatisches Werkzeug eine endgültige Absage zu erteilen.“ Außerdem scheint angesichts eines realitätsnahen Beitrags sogar in der FR zu stimmen, was der Cicero folgert: "Doch die brennenden Davidsterne haben etwas aufgebrochen in der Gemeinschaft der ideologisch Gefestigten." Wer sich fragt, wer dazu beigetragen hat, dass hierzulande Davidsterne brennen, mag sich an diesem Beitrag von Clemens Heni in der Jüdischen Rundschau vom August 2014 zur „antisemitischen Pogromstimmung in Europa“ orientieren.

 

Nachtrag vom 16.12.: Die NZZ schreibt: "Die USA sehen auch die Klagemauer als Teil Israels." Beim Tagesspiegel meint Martenstein: "Die größte Gefahr für Juden in Deutschland geht von radikalen Muslimen aus"; auch Integrationskurse könnten das Problem nicht beheben. 

 

Nachtrag vom 17.12.: "Erdoğan will Botschaft in Ostjerusalem eröffnen", erfährt man von der Zeit. In Mainz fragt man sich, wie die Lösung eines Problems gelingen soll, das man sich nicht mal klar zu benennen traut. N-tv titelt "Palästinenser brechen Gespräche mit USA ab" und in Indonesien demonstrieren 80.000 gegen Jerusalem als Hauptstadt Israels. Zum Massenprotest aufgerufen hatten muslimische Gruppen. "Sie forderten zum Boykott von israelischen und US-Produkten auf, sollte Trump seine Entscheidung...nicht rückgängig machen." 

 

Nachtrag vom 18.12.: Kommt es zu einer Ausweitung der Todesstrafe durch die israelische Regierung? Siehe dazu hier. Außerdem: USA verhindern eine von Ägypten eingebrachte kritische UN-Resolution zu ihrer Israel-Politik.

 

Nachtrag vom 19.12.: Bassam Tawil meint: Es ist "verlogen zu behaupten, dass die Ankündigung von Trump die jüngste Welle palästinensischer Gewalt ausgelöst hat...Bei diesem Aufruhr geht es mehr darum, die USA und die Amerikaner zu hassen, als gegen eine angebliche Änderung des Status von Jerusalem zu protestieren...Wo war der Westen, als die palästinensischen Führer Jahrzehnt für Jahrzehnt erklärt haben, dass Israel kein Existenzrecht hat?"

 

Nachtrag vom 20.12.: "Zweiter Versuch für Jerusalem-Resolution" titelt man bei moz.de

 

Nachtrag vom 22.12.: Die UN-Vollversammlung verabschiedete am Donnerstag eine Resolution über den Status von Jerusalem: Die USA wird aufgefordert, ihre Entscheidung zurückzunehmen. "128 Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, stimmten in einer von Jemen und der Türkei beantragten Krisensitzung für die Resolution. 9 Mitglieder stimmten dagegen, 35 Staaten enthielten sich." Außerdem: Interview mit Wolffsohn bei Achgut Pogo.

 

Nachtrag vom 27.12.: "Die neuseeländische Sängerin Lorde hat Boykottaufrufen nachgegeben und ein geplantes Konzert in Israel abgesagt." Und: "Zehn weitere Staaten für Anerkennung Jerusalems" (Domradio) Außerdem: "Kindermagazin versetzt Juden in Aufregung" (DW)

 

Nachtrag vom 2.11.2018: "Der künftige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro will die Botschaft seines Landes in Israel nach Jerusalem verlegen...Bislang haben nur die USA und Guatemala ihre Vertretungen nach Jerusalem verlegt. Paraguay zog vorübergehend nach, machte den Schritt nach der Wahl eines neuen Präsidenten... aber schnell wieder rückgängig."


8.11.2017

Pro Iran? Ohne mich.

 

Also ich persönlich denke überhaupt nicht daran, mich von der deutschen Presse in eine Pro-Iran-Position hinein manövrieren zu lassen und Trumps oder auch Israels Vorgehen als nicht nachvollziehbar zu etikettieren; erst recht nicht wegen „wirtschaftlichen Interessen“. Seltsam genug, dass ein iranischer hochrangiger Regierungsvertreter Forderungen an Europa stellt und dabei „anonym bleiben“ will. (?) Mir reicht es zu wissen, dass mehrheitlich nördlich des Arabischen Meeres die einen Staaten schlimmer sind als die anderen. Im Iran etwa gelten Mädchen mit spätestens 13 Jahren als ehefähig und Ehen werden nach iranischem Recht auch rein zum Zweck des sexuellen Vergnügens auf Zeit geschlossen – selbstredend ohne Unterhaltsansprüche der gehorsampflichtigen Frau gegenüber dem leitungsberechtigten Mann. In weiteren Ländern steigt die Zahl der Kinderehen an bei steigendem Anspruch auf immer jüngere Bräute. Im Umgang mit dem aktuellen Saudi-Iran-Konflikt zeigt sich einmal mehr, welchen Stellenwert die üblichen Moralapostel den europäischen Werten der Aufklärung und den Menschenrechten tatsächlich einräumen. 

 

Siehe auch Bassam Tibi beim Cicero: Deutschland tritt als Verteidiger des Iran auf. Das ist naiv, denn das Land, das sich als Partner des Westens geriert, treibt ein falsches Spiel. 


13.10.2017

Unesco verliert zwei Mitglieder

 

Erst die USA, dann Israel: Beide kündigten ihren Austritt aus der Unesco (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) an. Hauptgrund: anti-israelische Positionen der Organisation. Zahlungen an die Unesco hatten die USA bereits 2011 nach der Aufnahme Palästinas in die Organisation eingestellt. Die Tiroler Tageszeitung (TT) zitiert aus der Erklärung zum USA-Austritt aus dem Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu: „Dies ist eine mutige und moralische Entscheidung, weil die Unesco ein absurdes Theater geworden ist und weil sie, anstatt Geschichte zu bewahren, diese verzerrt“, begrüßt man israelischerseits die Entscheidung des US-Präsidenten. Man hoffe nun – nach „absurden und beschämenden Resolutionen der Unesco gegen Israel“ – auf eine neue Ära bei den Vereinten Nationen (UN). Die Unesco als eine Sonderorganisation der UN ist allerdings erst mal mit dem Kampf um ihre neue Führungsspitze beschäftigt. Nominiert für eine Nachfolge der Generaldirektorin Irina Bokova ist unter anderen Hamad bin Abdulasis al-Kawari aus Katar, dem laut TT Antisemitismus vorgeworfen wird.

 

Nachtrag: Die französische Ex-Ministerin Audrey Azoulay wird die Unesco führen. Sie setzte sich knapp gegen Hamad bin Abdulasis al-Kawari mit 30 zu 28 Stimmen durch.  

 

Nachtrag vom 19.10.: Für weitere Hintergründe siehe auch Feuerherdt bei Mena-Watch.


6.9.2017

Iran: Der fragwürdige Partner

 

Es scheint in Mode zu sein, mit eklatanten politischen Widersprüchen zunehmend schamlos in der Öffentlichkeit zu operieren. Nach der Integrität eines Politikers fragt ja auch kaum noch jemand. Aktuelles Beispiel ist einerseits die Antwort der Bundesregierung zur „Ausrichtung der schiitischen Verbände und ihre Verbindungen zum iranischen Regime“. Es geht um das „Islamische Zentrum Hamburg“ (IZH); „neben der Botschaft die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland und eines ihrer wichtigsten Propagandazentren in Europa. Mit Hilfe des IZH versucht das Regime der Islamischen Republik Iran, Schiiten verschiedener Nationalitäten an sich zu binden und die gesellschaftlichen, politischen und religiösen Grundwerte der Islamischen Revolution in Europa zu verbreiten“, heißt es. Man gehe davon aus, „dass von staatlicher iranischer Seite finan-zielle Unterstützung und inhaltliche Einflussnahme für das IZH erfolgt“. Weiter: „Die Islamische Republik Iran erklärt in ihrer Verfassung den weltweiten ‚Export‘ der iranischen Revolution zum Staatsziel. Die Inhalte der Verfassung der Islamischen Republik Iran sind nicht mit den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland vereinbar.“ Wegen extremisti-scher Einflussnahme sei die Beobachtung des IZH durch den Verfassungsschutz weiter notwen-dig. Andererseits steht der Iran ökonomischerseits hoch im Kurs; wenn auch aktuell etwas gedämpft. Neben der Ausweitung des iranischen Bankensektors gebe es einen „Tsunami an Anfragen“ aus der deutschen Wirtschaft, wie die Welt 2016 schrieb, und „Investitionsmöglichkeiten wie ein riesiger Kuchen“. Ob der Langzeiteffekt ebenso gut schmeckt ist äußerst fraglich.

 

Nachtrag vom 7.9.: Zu den iranischen Vorhaben siehe auch bei Audiatur Online: "...Teheran investiert enorme Summen, um aus Syrien eine iranische Provinz zu machen..."


19.8.2017

Terror: Provozierende Souveränität?

 

Es wird ja von Regierenden so viel Wert darauf gelegt, beim Umgang mit Terroranschlägen Souveränität oder vielmehr trotzigen Stolz zu demonstrieren. Zum Beispiel mit Leerstellen wie: „Wir lassen uns nicht unterkriegen“ oder „Der Terror wird uns nicht besiegen“ – wem dient die Entpersonalisierung der Täter? Was dieser „souveräne“ Popanz auch bewirken kann, erläutert aktuell der Terrorismusexperte Peter Neumann: „Für den IS wird die Souveränität, mit der die Menschen die Terroranschläge aufnehmen, zum Problem. Man kann davon ausgehen, dass die Islamisten eine neue Eskalationsstufe, einen noch gruseligeren Anschlag planen werden, um die Aufmerksamkeitsschwelle deutlich anzuheben.“ Fest steht: Keine unserer wie auch immer gearteten Reaktion wird die Fanatiker veranlassen, das Morden künftig zu lassen. Angesichts der diesbezüglichen Ohnmacht sollte man es sich wenigstens leisten, sich von der oktroyierten Meinungsmache zu emanzipieren und eine authentische Meinungsbildung zu pflegen. 

 

Nachtrag: Die Messerattacke im finnischen Turku (zwei Tote, acht Verletzte) wird von den finnischen Ermittlungsbehörden inzwischen als Mord mit terroristischem Motiv eingestuft. Tatverdächtiger Haupttäter: Ein 18-jähriger Marokkaner, der Anfang 2016 in Finnland Asyl beantragte, habe gezielt Frauen niedergestochen (Nachtrag). Und die nächste Messerattacke mit acht Verletzten führt in die sibirische Ölstadt Surgut. 


22.6.2017

Statements zu Israel

 

Bei der Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Bundestag äußerten sich Sachverständige zu Israel: Muriel Asseburg, Stiftung Wissenschaft und Politik: „Das Gros der Menschenrechtsverletzungen gibt es in den palästinensischen Gebieten und resultiert in der auf Dauer angelegten militärischen Besatzung.“ Israel verletzte Menschenrechte durch Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Anwendung der Militärjustiz für Palästinenser, häufiger Verhängung von Administrativhaft und durch Zerstörung von Häusern. Michael Borchard, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel: Als einziger Demokratie in der Region werde Israel bei Pluralität, Meinungsfreiheit sowie Wahlrecht regelmäßig ein „gutes bis sehr gutes Zeugnis“ ausgestellt. Der „hohe Grundrechtsstandard“ ließe sich aber nur halten, wenn Israel auf die Zwei-Staaten-Lösung als „einzig gangbare Lösung“ setze. Jeff Halper vom Israeli Commitee Against House Demolitions: Die Zwei-Staaten-Lösung sei längst „vom Tisch“. 800.000 Israelis lebten heute in „besetzten Gebieten“. Israel leugne, „dass es eine Besatzungs-macht“ sei. Mit der faktischen Verabschiedung der Zwei-Staaten-Lösung sei Israel auf dem Weg in die „Apartheid“. Die internationale Gemeinschaft solle Israel auf dem Weg zum „multikultu-rellen Staat“ unterstützen: „Einen jüdischen Staat kann man nicht haben, wenn man keine Zwei-Staaten-Lösung will.“ Kerstin Müller, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv: Wer den „multikulturellen Staat“ Israel fordert, verabschiede sich von der Gründungsidee eines jüdischen Staates. Das Land sei eine stabile Demokratie mit sehr lebendiger Zivilgesellschaft, bunter Medienlandschaft und funktionierender Justiz. Ein „Stachel im Fleisch“ sei die „Besatzung der Westbank“. Die Folge: für jüdische Siedler gelte ziviles Recht, für dort lebende Palästinenser hingegen Militärrecht. Ein Ende der Besatzung sei aber nicht von heute auf morgen möglich: „Der israelisch-palästinensische Konflikt ist eine Geschichte der verpassten Möglichkeiten“ auf beiden Seiten. Jonathan Heuberger, Völkerrechtsexperte: Zur Zwei-Staaten-Lösung habe sich auch Israels Regierungschef mehrfach bekannt. Alternativen hierzu würden den Charakter Israels als jüdischer Staat unterminieren. Zum israelischen NGO-Gesetz: „Bei aller Kritik daran stelle sich in der Tat die Frage, inwieweit es sich noch um Nichtregierungsorganisationen handle, wenn diese mehr als 50 Prozent ihrer Finanzierung von ausländischen staatlichen Stellen erhielten.“ Außerdem gebe es in Israel mehr NGOs als im gesamten Nahen Osten.


29.5.2017

G7-Gipfel beschließt Schlussdokument

 

Beim G7-Gipfel in Taormina wurde ein Schlussdokument als Minimalkompromiss zur Zuwan-derungspolitik erstellt. „Der Wunsch Italiens, bei dem Gipfel auch Kontingente für die EU zu beschließen, konnte nicht in das Dokument aufgenommen werden“, weil Deutschland und Frankreich dies abgelehnt hatten, berichten die DWN. Im Dokument heißt es unter anderem: „Gleichzeitig bekräftigen wir, während wir die Menschenrechte aller Migranten und Flüchtlinge wahren, die souveränen Rechte der Staaten, einzeln und gemeinsam, ihre eigenen Grenzen zu kontrollieren und eine Politik zu etablieren, die ihrem nationalen Interesse und der nationalen Sicherheit entsprechen.“ Zuvor hatte der US-Präsident unmissverständlich das Bekenntnis zu Grenzschutz und Begrenzung der Zuwanderung aus Sicherheitsaspekten gefordert. Auch in Bezug auf seine klare Formulierung, dem IS „mit aller Entschiedenheit“ entgegenzutreten und die Finanzierung von Extremisten zu stoppen, wurde er von Entwicklungsorganisationen scharf angegriffen. Ein Vertreter von Oxfam warnte davor, den „restriktiven Passus“ in das Dokument aufzunehmen. Das sei „Erpressung“ und führe in eine "Sackgasse von Hass, Ablehnung und Abgrenzung“. Wer tatsächlich diese Sackgasse entlang fährt, ist etwa hier ersichtlich


28.4.2017

Tausend Dollar für Mord an Britin

 

Unglaublich, was Audiatur schreibt: „Inzwischen wurde bekannt, dass Tamimi für seine ‚Heldentat‘ von der palästinensischen Autonomiebehörde monatlich fast 1.000 Dollar erhalten wird.“ Tamimi ist der Mörder der 21-jährigen Hannah Bladon, britische Studentin, auf die er am Karfreitag in der Jerusalemer Straßenbahn mit tödlichen Folgen einstach. Mehr darüber, auch zur Verbreitung von Fake News durch die deutsche Presse, gibt es hier.


30.1.2017

Infos zum US-Einwanderungsdekret

 

Kompakt informiert die Welt über Trumps erlassenes Dekret für Bürger aus Irak, Syrien, Iran, Sudan, Libyen, Somalia und Jemen: „Handelt es sich um ein ‚Einreiseverbot für Muslime‘? Nein. Große muslimische Länder wie Indonesien, Pakistan, Bangladesch, Saudi-Arabien, Jordanien, die Türkei, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate sind von der Verfügung ausgenommen.“ Zur Auswahl der Länder: Der Fokus liege nicht auf Religion, sondern auf Gefahr. „Die Gegenden der Welt, die für uns eine Gefahr darstellen – was eine faktische Basis und keine religiöse Basis ist.“ Bereits Obama habe die Länderliste zusammengestellt. „Im Februar 2016 verfügte das Ministerium für Heimatschutz die Aufhebung der Visafreiheit im Rahmen des Visa-Waiver-Programmes für Reisende, die nach dem 1. März 2011 ‚den Irak, Syrien, den Iran, den Sudan, Libyen, Somalia oder den Jemen‘ besucht hatten. Damit definierte auch die Obama-Regierung diese Länder als Gefahrenherde und mögliche Ausgangspunkte für terroristische Anschläge.“ Ebenfalls unter Obama stellte das Außenministerium 2011 nach Enttarnung zweier irakischer Flüchtlinge als Terroristen die Bearbeitung von Asylanträgen aus dem Irak für sechs Monate ein. Christen aus muslimischen Ländern sollen nach Ablauf von vier Monaten bei Asylanträgen prioritär behandelt werden. Bis dahin arbeiten US-Behörden an der Verbesserung des Überprüfungsverfahrens für Asylantragsteller. Drei Leserkommentare zur Sache: „Amerika besteht aus Immigranten, abgesehen von den native Americans. Trump legt sich hier mit einem der wichtigsten Themen der USA an. Wenn er das auf die Spitze treibt, wird er verlieren.“ Zur Beleuchtung der anderen Seite: „Dass Deutschland jeden reinlässt, der das Wort Asyl sagen kann, ist unverantwortlich.“ Und ein Leser zur Info in diesem Fall: „Ein Bericht voller Fakten, komplett ohne jegliche Belehrung. Ich danke sehr dafür.“

 

Nachtrag vom 10.12.: "Trumps Einreiseverbot für Menschen aus mehreren muslimischen Ländern, der sogenannte „travel ban“, darf vorläufig in Kraft treten, wie der Oberste Gerichtshof in dieser Woche entschieden hat", klärt die Welt weiter zur Sache auf.


21.1.2017

„Irreführende“ Nahost-Friedenskonferenz

 

„Was treibt westliche Politiker dazu, als Erfüllungsgehilfen bei der Zerstörung der jüdisch-christlichen Kultur im Nahen Osten und Europa mitzuwirken?“, fragte Pfarrerin Dr. Petra Heldt, Direktorin der Ökumenischen Forschungsgemeinschaft in Jerusalem, in einem eindringlichen Appell kurz vor der Nahost-Friedenskonferenz, die im Januar in Paris stattfand. Bei der Konferenz ist offenbar nicht wirklich etwas herausgekommen. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses meint, sie sei „bedeutungslos und irreführend“. Die Völkergemeinschaft solle mit einseitigen Forderungen an Israel aufhören. Vom Abschlussdokument der Konferenz distanziert sich Großbritannien sogar ausdrücklich. Begründung: „Es gehe nicht an, eine solche Konferenz gegen den Willen Israels auszurichten.“ Außerdem sei eine Übereinkunft zwischen Israel und Palästinensern nur unter Ein-schluss der USA denkbar. „Es ergebe daher wenig Sinn, eine derartige Versammlung kurz vor dem Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten auszurichten – der bekanntlich andere nahostpoli-tische Vorstellungen als sein Vorgänger hat.“ Zur Charta der Hamas, auf die Heldt in ihrem Appell Bezug nimmt, gibt es eine Fallstudie (2011) bei der Bundeszentrale für politische Bildung: „Die Feindschaft gegen Juden prägt auch zahlreiche islamistische Diskurse. Die Charta der Hamas fordert einen Palästinenserstaat – und ruft zur Erreichung des Ziels ganz offen zur Tötung von Juden auf.“ 


21.1.2017

Maas droht Trump

 

„Selbst in 140 Zeichen kann man fast alles kaputtmachen. Um es wieder aufzubauen, reicht #Twitter selten. Be careful, Mr. President“, twitterte Bundesjustizminister Heiko Maas am 20. Januar nach Trumps Vereidigung. Es stellt sich ganz sicher nicht die Frage, ob sich der neue Präsident in irgendeiner Weise davon eingeschüchtert fühlt; eher noch wird er die Überlegung anstellen, inwiefern Deutschlands regierende Politiker überhaupt ernst zu nehmende Gesprächspartner sein könnten. Der Stil, politische Gegner wie ungehorsame Kleinkinder zu ermahnen, scheint inzwischen im Bundestag ungeschriebene Regel zu sein. Unlängst ermahnte auch die Bundeskanzlerin eine kritische Zwischenruferin während ihrer Rede, „ganz vorsichtig“ zu sein. Altbackene Floskeln wie „Sei bloß vorsichtig“ handeln Erziehungsratgeber heutzutage unter dem Stichwort „Machtgehabe und Drohgebärden“ als garantiert misslingende Pädagogik ab. 

 

"Letztlich ist nicht das wichtig, was Trump ankündigt – wichtiger ist, was er aufkündigt": Ein lesenswerter alternativer Beitrag beim Cicero


6.1.2017

Kalte Krieger und ein verwirrter Spiegel

 

Tja, wie positioniert man sich da bloß als Ideologe, der dem Kalten Krieg nie entwachsen ist? Wie schwer sich Spiegel Online tut, moderne politische Konstellationen akzeptierend zur Kenntnis zu nehmen, beweist das Magazin gerade wieder mit seinem „Eine merkwürdige Allianz“ überschriebenen Beitrag. Gemeint ist die Annäherung zwischen dem Wikileaker Julian Assange und Donald Trump. „Mittlerweile wird der WikiLeaks-Macher vom Trump-Lager hofiert“, empört man sich über den Abtrünnigen, der doch bisher stets Instrumentalisierungsobjekt der politischen Linken gewesen ist. „Von wegen Russland – Unsere Quelle ist kein staatlicher Akteur“, sagt Assange bezüglich des seit Wochen propagierten Gerüchts, Russland sei Urheber von Hackerangriffen im US-Wahlkampf. Das scheint mehreren Akteuren ganz und gar nicht ins Konzept zu passen. Spiegel Online rätselt nun: „Was versprechen sich beide Seiten davon?“ und hat sogleich eine einfach gestrickte, populistische Antwort parat: Seit Assange über seine Enthüllungsplattform WikiLeaks tausende E-Mails von Hillary Clintons Chefstrategen John Podesta veröffentlichte „und damit den Wahlkampf der Demokratin massiv störte, wird er von der politischen Rechten wie ein Held hofiert“. Und auf diese „Umarmungsstrategie aus dem Trump-Lager“ sei der Wikileaker auch dringend angewiesen, denn „zuletzt war es immer einsamer geworden um den 45-Jährigen“, der ja doch nur allein in der Wohnung sitze. Assange jedenfalls gehört nun zu den Bösen und deshalb öffentlich abgewatscht: „Assange waren die Helfer ausgegangen… Auch deshalb arbeitete WikiLeaks wiederholt unsauber - und gefährdete dabei womöglich Quellen und Unbeteiligte.“ 

 

Indessen wird sich wohl das Gros der Mainstream beherrschenden Journalisten weitgehend umstellen müssen. Denn auch die Nato bezeichne Russland nicht mehr als unmittelbare Gefahr, beziehen sich die DWN auf ein Interview mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. „US-Präsident Barack Obama hatte, wie seine Parteifreundin Hillary Clinton, Russland noch vor einem Jahr auf eine Stufe mit dem IS gestellt. Die neue, gemäßigte Linie dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass der designierte US-Präsident Donald Trump den Kalten Krieg mit Russland beenden will.“ Bis dahin schießt man allerdings nochmal volle Kanone gegen Putin § Co.: „Russland eine existenzielle Bedrohung für die USA“, titelt die Welt, die den US-Geheimdienstdirektor James Clapper zitiert: Dieser sehe weiter Russland als Urheber von Hackerangriffen im US-Wahlkampf. Immerhin heißt es im Bericht: „Konkrete Beweise für seine Vorwürfe gegen Russland nannte er nicht.“ Tatsächlich sind auf die präventive Modellierung eines Sündenbocks vor allem jene dringend angewiesen, die im Begriff sind, ihre Deutungshoheit spätestens nach der kommenden Bundestagswahl zu verlieren. Je näher dieser Gesichtsverlust rückt, desto dramatischer werden die Ausreden; nachlesbar etwa in der aktuellen Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage „Angeblich geplante Cyberangriffe der russischen Regierung auf die Bundestagswahl“. Ein Beispiel daraus: „Die Beantwortung der Fragen 6 und 12 kann aus Gründen des Staatswohls nicht in offener Form erfolgen. Die unbefugte Kenntnisnahme von Einzelheiten zu Aufklärungserkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz könnte sich nachteilig auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland auswirken.“ Die Informationen sind daher als Verschlusssache eingestuft. Und überhaupt: „Die Bundesregierung spekuliert nicht über mögliche konkrete ‚Angriffe‘.“ Soso. 

 

Nachtrag vom 7.1.: „Der Bericht der US-Geheimdienste über die angebliche russische Intervention in die US-Wahl ist eine einzige Peinlichkeit“, so die DWN. Glenn Greenwald von The Intercept: „Der Bericht wiederhole bekannte Anschuldigungen – ohne einen einzigen Beweis für die Behauptungen vorzulegen. Es sei schockierend, wie sehr dieser Bericht gehypt worden sei.“ Es handle sich um ein „Sammelsurium von Binsenweisheiten, die sich jeder Schüler in einer halbstündigen Internet-Recherche zusammensuchen kann“. Unstimmigkeiten und unlogische Schlüsse seien darin enthalten. „Die Dienste behaupten einfach irgendetwas.“ Zum Beispiel: Putin habe bloß aus Berechnung nicht ausdrücklich für Trump Partei ergriffen. Dies und weitere Fake-News zur Sache sind hier nachlesbar

 

Nachtrag vom 9.1.: Zum Bericht der US-Geheimdienste siehe auch die Analyse von Dr. Gert R. Polli, ehemaliger Leiter des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung: "Obwohl auf Russland fokussiert, ist es auch interessant zu erwähnen, was der Auftraggeber des Reportes geflissentlich unter den Tisch fallen ließ: Die finanzielle Unterstützung durch Saudi-Arabien und die Golf-Monarchien ist aktenkundig." 

 

Nachtrag vom 11.1.: "Geheimdienste starten Frontal-Angriff gegen Donald Trump...Die US-Geheimdienste haben gemeinsam mit dem britischen Geheimdienst ein Dossier gegen Donald Trump vorgelegt. Demnach soll der designierte Präsident wegen sexueller Ausschweifungen von den Russen erpressbar sein...Das Dokument umfasst insgesamt 35 Seiten und wurde nach der CNN-Veröffentlichung von Buzzfeed ins Internet gestellt. BuzzFeed räumt allerdings ein, dass man selbst Zweifel habe, ob die Anschuldigungen zutreffend seien...Die New York Times, im Wahlkampf prononciert gegen Trump, kritisiert die Veröffentlichung...Tatsächlich gibt es keinerlei Belege für die Anschuldigungen. Sie wurden von einem ehemaligen britischen Spion zusammengestellt, der sich wiederum auf seinen Informanten in Russland beruft. Trump bezeichnete die Anschuldigungen über Twitter als Fake-News und Hexenjagd."