23.12.2016

Der neue Kultur-Kolonialismus

 

Imad Karim, libanesisch-deutscher Regisseur und Gewinner des ARD-CIVIS-Preises für Integration, spricht im Cicero über die „neue Form des Kulturkolonialismus  –  arrogant, ignorant, fahrlässig und keinesfalls human“. Karim hat nichts gegen Political Correctness, „aber wenn daraus eine ideologisierte Scheinwelt entsteht, der wir uns unterordnen müssen und der wir nicht mit den Mitteln der Empirie entgegnen können und dürfen, dann sprechen wir hier von einer Gesinnungsethik, die zur Katastrophe führen würde“. Die Dinge dürften nicht mehr beim Namen genannt werden. „Wenn wir in unserer freiheitlichen Grundordnung kriminelle Migranten nicht als kriminell bezeichnen dürfen, weil sie Migranten sind, dann hat das mit Toleranz nichts zu tun, sondern mit einer neuen Art von Rassismus, einem Privilegien-Rassismus.“ Es werde zudem suggeriert, „Hitler stehe kurz vor der Auferstehung. Das ist mehr als absurd. Unsere Eliten warnen uns vor den Rechtsradikalen, die sie anscheinend in 70 Jahren noch nicht integrieren konnten, aber gleichzeitig sind sie sicher, Millionen Menschen, die aus dem Islam mit seinen mittelalterlichen Vorstellungen kommen, integrieren zu können. Dazu sage ich, jedes Unrecht beginnt mit einer Lüge.“ 

 

Nachtrag vom 20.8.2017: "Von 395 Asylbewerbern, die seit Dezember 2016 ein Beschäftigungsprojekt bei einem Eigenbetrieb der Stadt Leipzig antreten sollten, sind nur 112 Personen erschienen. 144 Flüchtlinge verweigerten sich sogar ohne Grund. Jetzt stellt die Stadt das Programm ein ... Der Kommunale Eigenbetrieb hatte für die Asyl-AGH extra ein Gebäude angemietet und saniert und darin Schulungsräume, Einzel- und Gruppenberatungsplätze eingerichtet. Zudem wurden fünf Anleiter sowie zwei Integrationsberaterinnen und Sprachtrainer eingestellt. Geplant war das ganze Projekt bis Ende 2020." Veranschlagte Kosten: 2,67 Millionen. 


4.11.2016

Integration: Einige Frauen Teil des Problems

 

Im Rahmen der Integration wird man auf absehbare Zeit nicht umhin kommen, die Rolle zugewan-derter Frauen unter die Lupe zu nehmen. Die syrische Frauenrechtlerin Hiwy Ahmed sagt im n-tv Interview: Manche arabische Frauen meinen: „Wenn mein Mann mich nicht schlägt, dann ist er kein Mann. Ich will da ganz offen sein. Manche Frauen sagen auch: Warum muss eine Frau arbeiten? Oder studieren? Die Frau hat sich um Haus und Kinder zu kümmern.“ Eine Extremvariante ist der 2011 gegründete „Club der gehorsamen Ehefrauen“: „Du musst deinen Mann befriedigen, unterwirf dich, wenn er Sex will“, so laut Blick eine 46-jährige Ärztin anlässlich der Clubgründung in Kuala Lumpur. 800 Frauen aus Malaysia und 200 weitere aus dem Nahen Osten hätten sich sofort angeschlossen. Expansion bis London, Frankfurt und Paris sei beabsichtigt. Weltweit gebe es einige tausend Mitglieder. Dachorganisation des Clubs ist die bereits im Vorfeld ins Leben gerufene, auch bei Facebook vertretene Global Ikhwan-Bewegung zur Förderung der Polygamie. Förderer hat sie laut SZ auch bei ausländischen Firmen. Es gibt aber auch Protest von Muslimen gegen die Gruppe.  


12.10.2016

BAMF: Einstellung ohne Bewerbungsgespräch 

 

Ein praxiserfahrener Insider beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird gerade von GMX zitiert: Es brauche viel Erfahrung, einen radikalisierten oder gewaltbereiten Syrer, Iraker oder Afghanen während der kurzen Asylanhörungen zu erkennen. „Wenn ein BAMF-Mitarbeiter so was schon lange macht, dann weiß der, wo er nachbohren muss.“ Der Anteil erfahrener Mitarbeiter dort sei aber nicht allzu groß. Das erstaunt nicht wirklich, wenn man sich den Beitrag der Mitteldeutschen Zeitung vor Augen führt:

 

Das BAMF stellt Bewerber inzwischen ohne Vorstellungsgespräche ein, heißt es dort unter Berufung auf eine E-Mail, die eine Bewerberin aus Nürnberg erhielt und kein Einzelfall sei: „Bitte kommen Sie zur Unterzeichnung Ihres Arbeitsvertrages am 25.08.2016 um 09:00 Uhr an folgende Adresse: Sachsenstr. 12+14 ,20097 Hamburg.“ Schulungszeit: drei Wochen. Einstellungsvoraussetzungen: Kein Eintrag im Führungszeugnis und keine Schulden, weil: „Aus Gründen der Korruptionsprävention ist der Einsatz auf dem stark korruptionsgefährdeten Arbeitsplatz der Anhörerin oder der Entscheiderin bei Überschuldung nicht möglich.“ Etliche Bewerber würden dann nach kurzer Zeit wieder entlassen. Aufgrund entsprechender Einträge in der Personalakte könne sich derselbe Bewerber später nicht erfolgreich auf andere Stellen im Öffentlichen Dienst bewerben. Außerdem gebe es kaum Qualitätskontrolle, sagt Pro Asyl.

 

Als effiziente Arbeitsteilung bezeichnet das BAMF folgendes Vorgehen: „Wo früher Mitarbeiter von der Anhörung bis zur Entscheidung komplett zuständig gewesen seien, gebe es jetzt in der Regel eine Spezialisierung. Anhörer führten ausschließlich Anhörungen durch, Entscheider träfen nur Entscheidungen. Entschieden werde also ohne persönliche Begegnung mit dem Antragsteller.“ Die hohe Personalfluktuation stellt freilich auch sicher, dass die dortige Arbeit weitgehend intransparent bleibt. Dafür wird es wohl Gründe geben.

 

Nachtrag: Zwischen dem 1. August 2015 und 31. August 2016 kam es beim BAMF zu insgesamt 268 Kündigungen. Darunter waren 195 Kündigungen des Arbeitgebers und 73 Kündigungen des Arbeitnehmers. Quelle: Aktuelle Antwort der Bundesregierung zum Thema "Personalgewinnung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge".

 

Nachtrag vom 15.12.2017: Nordbayern berichtet gerade, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) könne „nicht alle befristet Beschäftigten in ein Dauerverhältnis bringen, da für knapp 3.300 Beschäftige nur circa 2.100 Dauerstellen gegenüberstehen.“ Angesichts der etlichen aktuellen Stellenausschreibungen selbiger Behörde lässt sich fragen, ob das BAMF ihre Beschäftigten überhaupt in ein Dauerverhältnis bringen will. Gesucht werden derzeit – erneut auf Befristungsbasis – mehrere Prozesssachbearbeiter, letztere für „Prozessvertretung des BAMF in Streitigkeiten nach dem Asyl- und Aufenthaltsgesetz sowie der Prozesskosten-bearbeitung in erstinstanzlichen Verfahren“. Wozu das nötig ist? Das ZDF dazu: „Der Anteil der Flüchtlinge, die gegen ihren Asylbescheid klagen und damit erfolgreich sind, steigt immer weiter.“ Asylbewerber zogen im ersten Halbjahr 2017 gegen fast jede zweite Entscheidung des BAMF vor Gericht. „Die Gerichtskosten des BAMF stiegen deutlich an: von 7,8 Millionen Euro in 2016 auf bereits mehr als 19 Millionen Euro in diesem Jahr.“ Regional gesehen verdoppelten sich die Asylklagen an vielen Orten, an Verwaltungsgerichten fehlen Richter.   

 

Nachtrag 2018: Bei den vom ZDF verbreiteten erfolgreichen Asylklagen handelte es sich um Fake-New. Die Welt: "Viel weniger erfolgreiche Klagen abgelehnter Asylbewerber als berichtet" 


22.9.2016

Rückkehr der Vernunft?

 

„Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat erstmals klare Regeln für die Integration vor allem von moslemischen Zuwanderern in Deutschland genannt“, berichtet der Bayernkurier. Es dürften nicht alle Ausprägungen anderer Kulturen toleriert werden wie etwa Kinderehen oder Frauendiskriminierung. Ehrverletzung könnte niemals Gewalt rechtfertigen. Außerdem: „Wenn ein Mann von einer Frau kein Essen annehmen möchte, dann bekommt er eben kein Essen.“ Der Minister plädiert auch dafür, sich mit dem Sinn von christlichen Feiertagen und damit verbundenen Traditionen zu beschäftigen. Ein leichter kommunikativer Umschwung deutet sich auch in der Kirche an. Wie idea mitteilt, sagte der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge nach der Senatswahl: „Die AfD hat die Möglichkeit einer demokratischen Meinungsbildung für sich genutzt und einen beachtlichen Wahlerfolg erzielt. Das ist ihr gutes Recht.“ Die gewählten Vertreter müssten sich nun als Demokraten erweisen, die die Werte der freiheitlichen Gesellschaft achten. Wer letztgenannte bis dato tatsächlich missachtet, scheint den Verantwortlichen langsam klar zu werden. Nur: Nachdem sie selbst monatelang die intolerante Anspruchshaltung etlicher Eingewanderter geschürt haben, wird es umso schwerer sein, diese  auf ein vernünftiges Maß zu stutzen. Jedenfalls will ich nicht in der Nähe sein, wenn ein Frauenverächter tatsächlich kein Essen bekommen sollte.  

 

Nachtrag vom 28.10.: Das mit dem kommunikativen Umschwung in der Kirche war wohl zu voreilig, wie aus einer aktuellen Meldung von idea hervorgeht.


19.9.2016

BAMF: „Erheblicher humanitärer Druck“

 

Interessant wäre es ja schon, die aktuelle Meinung des Personalrats beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Sache unentdeckter gefälschter Flüchtlingspässe zu erfahren. Das BAMF stellte zuvor im Schnellverfahren mehrere tausend Mitarbeiter ohne ausreichende Einbindung des Personalrats ein, ordnete Überstunden sowie Nacht- und Wochenendarbeit ohne entsprechende Vereinbarung an. Die Rechtfertigung eines BAMF-Mitarbeiters laut Haufe: Dies sei unter „erheblichem humanitären Druck und hohen politischen Erwartungen“ geschehen. Trotzdem urteilte das Verwaltungsgericht Ansbach, dass die Vorgänge rechtswidrig waren. Das BAMF geht nach dem Scheitern einer gütlichen Einigung in Revision. Eine Entscheidung wird erst nächstes Jahr erwartet. 

 

Bereits im November 2015 monierte der Personalrat in einem Offenen Brandbrief an den Leiter des BAMF systemische Mängel: Verfahrensbeschleunigung, drei- bis achttägige „Schnellschuss-Qualifizierung“ der Entscheider, Verzicht auf Identitätsprüfung etwa bei Syrern und Eritreern und nicht vereidigte Dolmetscher, die in keinem Arbeitsverhältnis mit dem Bundesamt stehen: „Letztlich wird diesen Dolmetschern alleine die Prüfung des Asylgesuchs…überlassen.“ Mit dieser Aussage wird auch eine – unter anderem von Panorama übernommene – Pressemitteilung des BAMF als glatte Lüge geoutet, in der von akribischen Identitätsprüfungen und vereidigten Dolmetschern die Rede ist (s. Seite 2 im Brandbrief, der in der Tat Whistleblower-Qualität hat). 

 

Der Brandbrief scheint nicht wirklich Konsequenzen gezeitigt zu haben: Sieben Monate später, Mitte Juni, kritisierte der Personalrat, dass „neue Mitarbeiter, die nicht vernünftig eingelernt wurden“, nun auch über besonders komplizierte Asylanträge von Iranern und Afghanen entscheiden sollen. Gernot Hüter (Vorsitz) warnte laut BR vor Qualitätsverlusten bei überforderten Mitarbeitern. Seine Kritik am Führungsstil von Amtsleiter Frank-Jürgen Weise: „Er führt die Behörde rein betriebswirtschaftlich, Fallzahlen gehen über alles. Wie man die gesetzten Ziele erreicht, ist ihm egal, es muss nur schnell gehen.“ 

 

Wer ausreichend abgebrüht und gerade arbeitslos ist, kann sich auf eine der etlichen ausgeschriebenen Stellen beim BAMF bewerben. Da sich dessen Leiter gerade öffentlich und „ohne jede Einschränkung“ hinter den Slogan der Bundeskanzlerin stellte, bekommt man vermutlich nach dreitägiger Einarbeitungszeit gesagt „Sie schaffen das“ und schon kann’s losgehen. Geboten wird eine „spannende Tätigkeit in einem motivierten Team“.         


17.9.2016

Generalstaatsanwalt fordert BAMF-Datensätze

 

Das ist mal eine klare Ansage: Nach Bayern und Mecklenburg-Vorpommern (MV) bezweifelt nun auch Brandenburg die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angegebenen Identitäten von Flüchtlingen. Der Generalstaatsanwalt von Brandenburg, Erardo Rautenberg, will deshalb rund 18.000 Datensätze der Behörde beschlagnahmen lassen, so die DWN. „Ich will wissen, wer genau im Land ist und ich möchte mir, wenn etwas passiert in unserem Land, nicht vorwerfen lassen, dass ich nicht alles vorher hätte unternehmen können“, wird er zitiert. Beantragt sind bereits mehrere Gerichtsbeschlüsse. „Das BAMF verweigere die Herausgabe der Daten und begründe dies mit fehlender Verhältnismäßigkeit.“ In Bayern wurden laut Bundesinnenministerium schon etliche Dokumente von Flüchtlingen als Fälschungen erkannt, die das BAMF zuvor im Asylverfahren geprüft hat. „Allein in Garmisch-Partenkirchen hätten bayerische Fahnder bei einer Stichprobe 19 gefälschte Pässe sichergestellt.“ Die Dunkelziffer liege allerdings deutlich höher. In MV werden gerade über 3.000 Pässe geprüft. Bisheriges Ergebnis: 140 gefälschte syrische Pässe, von denen das BAMF zuvor vier mit Gutachten für echt erklärte und drei dem Umfeld des Islamischen Staates (IS) zuzuordnen sind. Skandalös. Trotz dieser Aktionen der Bundesländer wird sich Rautenbergs Wunsch nach Kenntnis, wer genau im Land ist, wohl nicht erfüllen: Laut Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt ist eine nachträgliche Identitätsfeststellung aller Flüchtlinge vollkommen unrealistisch.

 

Nachtrag 2018: Erardo Rautenberg ist im Juli nach schwerer Krankheit verstorben.


2.9.2016

Erwünschte kulturelle Dominanz

 

In der Rückschau zur gestrigen Illner zum Thema „Fremd in der neuen Heimat – wer gehört zu Deutschland?“ gilt mein Kompliment der Autorin Güner Yasemin Balcı. Sie war ein gelungenes Beispiel dafür, wie es geht eine eigene Meinung zu vertreten, ohne einer der bekannten Gruppierungen nach dem Mund zu reden. Zum Vorwurf der „kulturellen Dominanz“ seitens ihrer Sitznachbarin, die mit ihrem Schal um den Kopf so wirkte, als habe sie gerade eine schwere Mandelentzündung auszukurieren, bleibt nur anzumerken: Ja, gerne mehr davon. Die Sendung kann hier nochmal angeschaut werden.


30.7.2016

Deutschland ist…

 

Wer am Wochenende Zeit hat, kann sich mal mit dem BAMF-Test „Leben in Deutschland“ beschäftigen (Hinweis: Der Test wird zeitweise aktualisiert). Er wird von Volkshochschulen und anderen Trägern für Integrationskurse angewendet, besteht aus 300 bundesweiten und 160 bundeslandspezifischen Fragen. Der Test hat durchaus Unterhaltungswert. Die Herausforderung dabei: Es ist immer nur eine Antwort richtig. Drei Beispiele:

 

Aufgabe 3: „Deutschland ist ein Rechtsstaat. Was ist damit gemeint?“ 

Auswahl 1: „Alle Einwohner/innen und der Staat müssen sich an die Gesetze halten.“ 

Auswahl 2: „Der Staat muss sich nicht an die Gesetze halten.“ 

Auswahl 3: „Nur Deutsche müssen die Gesetze befolgen.“ 

Auswahl 4: „Die Gerichte machen die Gesetze.“ 

 

Aufgabe 16: „Wann ist die Meinungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt?“

Auswahl 1: „bei öffentlicher Verbreitung falscher Behauptungen über einzelne Personen“

Auswahl 2: „bei Meinungsäußerungen über die Bundesregierung“

Auswahl 3: „bei Diskussionen über Religionen“

Auswahl 4: „bei Kritik am Staat“

 

Aufgabe 26: „Deutschland ist …“

Auswahl 1: „eine kommunistische Republik.“

Auswahl 2: „ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“

Auswahl 3: „eine kapitalistische und soziale Monarchie.“

Auswahl 4: „ein sozialer und sozialistischer Bundesstaat.“


6.6.2016

Identität: Prämisse für politische Lösung

 

Das ist bemerkenswert: Nach dem zweitägigen Diskurs über den Schutz des syrischen Kulturerbes in Berlin sagt die Staatsministerin Maria Böhmer dem Tagesspiegel: „Drittens aber müssen wir – wie mit der Berliner Konferenz – die kulturelle Identität der Menschen in Syrien stärken und damit das Fundament für einen territorial einheitlichen Staat Syrien...Die syrische Bevölkerung braucht Signale, dass die gemeinsame Kultur identitätsstiftend wirkt. Diese syrische Identität ist auch Voraussetzung für eine politische Lösung.“ Man ersetze die Wörter Syrien und syrische mit einem x-beliebigen Land aus der EU…und nehme derweil schon mal beide Beine in die Hand.  


22.4.2016

Geht es überhaupt um Integration?

 

Die interessanteste Frage bei Illner kam per Zuschauerpost: Wer integriert da wen, in einer Schulklasse mit 70 Prozent Migrantenanteil? Nähme man zu dieser unbeantworteten Frage noch die Aussage von Claus Leggewie aus der gestrigen Talkrunde ernst, wir hätten ja kein starres Deutschland, in das sich jemand integriert, dann wäre die Frage, wozu überhaupt eine Integrationsdebatte geführt wird. Denn inhaltlich stünden dann die Fragestellungen an, welche Interessenwahrung der bisherigen Bevölkerung des Gastgeberlandes noch zusteht, wer sich dafür einsetzt und wie man diesen gesellschaftlich umwälzenden Vorgang nennt.


21.3.2016

Ein Drama verwelkender Potenziale 

 

Das Bildungsniveau der Flüchtlinge aus Syrien sei vermutlich dramatisch schlecht, heißt es in einigen Zeitungen. Zu diesem Ergebnis kommen mehrere Bildungszentren, etwa das ifo Zentrum für Bildungsökonomik oder das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Rund zwei Drittel seien „im Grunde Analphabeten“, meint der Vorsitzende des Aktionsrats Bildung, Dieter Lenzen. Auf Deutschland kämen daher erhebliche Integrationsprobleme zu. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR behauptete hingegen noch im Dezember, 86 Prozent der Flüchtlinge seien hochqualifiziert – Ergebnis seiner Befragung von 1200 Asylsuchenden an der türkisch-griechischen Grenze. Der Focus verkauft diese Befragung unter dem Titel „UN-Studie“. Alles klar. Ob die einheimischen und die gut integrierten Kinder noch zu ihrem Menschenrecht auf Bildung inklusive Förderung ihrer individuellen Talente kommen, ist fraglich, wenn man sich den drastischen Niveauabfall in Schwedens Schulen vergegenwärtigt. In Sachen Bildung entsteht gerade ein Drama verwelkender Potenziale mit Langzeitwirkung. 


10.3.2016

Seifenblasenkultur 

 

Im Interview mit der Welt fragt eine bosnische Autorin, wer den Geflüchteten deutsche und europäische Werte beibringen soll angesichts einer „Verständniskultur, in der Probleme der Zuwanderung kleingeredet und ausgeblendet werden“. Die Frage ist gut, der Begriff „Verständniskultur“ allerdings allzu höflich, auch wenn sich diese nur auf Geflüchtete bezieht. Denn häufig geht es den Meinungsführern ja doch nur um die eigene Nestpflege oder um geldwerte Vorteile. Seifenblasenkultur trifft die Sache schon eher. 


20.2.2016

Kulturaustausch von Mehrheiten unerwünscht?

 

Immer wieder, wenn die üblichen Meinungsapologeten verbal aufrüsten gegenüber allem, was auch nur annähernd nationalen Charakter haben könnte, fällt mir meine Diplomarbeit ein. Das mag zuerst verwundern, denn ich schrieb über die Situation gehörloser Menschen. Der Kontext erschließt sich, wenn man die Sache aus dem Blickwinkel der Identitätsfindung betrachtet. Ein beträchtlicher Teil meiner Arbeit handelt vom Streit über die Erziehung gehörloser Kinder ausschließlich über Lautsprache oder unter Einbeziehung der Gebärdensprache. Die Fronten waren noch bis Ende des letzten Jahrhunderts verschärft. Noch früher war die Gebärdensprache vollständig verpönt: Lehrer ließen sogar kleine Löcher in die Wände bohren, um zu kontrollieren, ob Schüler in den Pausen heimlich gebärden. Das wichtigste Buch für die Erstellung meiner Arbeit stammt übrigens von dem (hörenden) Gehörlosenpädagogen Harlan Lane: Mit der Seele hören. Es beschreibt wesentliche Etappen der Weltgeschichte aus einer völlig anderen Perspektive; dem Umgang mit Gehörlosen, der eine nicht unwesentliche Rolle in den Landespolitiken zeitigte. Selten habe ich ein derart aufwändig recherchiertes und spannendes Buch gelesen. Lane rekonstruierte (in diesem und in einem anderen Buch) zum Beispiel auch detailliert die Vorgänge um den Wolfsjungen von Aveyron, den man zuerst in eine Taubstummenanstalt steckte. Allein schon diese Details, welche philosophischen Debatten daraufhin in der Gesellschaft aufkamen und welche Leute Profit aus dem Wolfsjungen schlugen, sind ein literarisches Highlight. 

 

Zurück zur Identitätsfindung: Heute ist allgemein anerkannt, dass gehörlose Kinder vor allem auf Basis einer Muttersprache, hier: die Gebärdensprache, grammatikalisches Verständnis entwickeln und darauf aufbauend auch die Lautsprache besser lernen, um mit Hörenden in kommunikativen Austausch zu treten und ihre Identität zu entwickeln. Anders gesagt: Auf Basis des Eigenen, in dem man ein Fundament hat und sich zuhause fühlen kann, wird auch Fremdes besser verstanden und angenommen. Das ist nichts weiter als ein normaler menschlicher Vorgang, der Austausch erst ermöglicht. Ähnlich verhält es sich mit unterschiedlichen Kulturen. Warum sich nun manche Meinungsapologeten echauffieren über die Pflege eigener, traditioneller Kulturen, würde meinerseits nur dann verstanden, wenn sich dies auf kulturelle Praktiken bezöge, die mit menschenrechtlichen Vorgaben absolut unvereinbar sind; etwa Beschneidung von Frauen oder Zwangsverheiratung minderjähriger Mädchen. Das Seltsame an der gängigen Agitation ist, dass sich die Empörung weniger auf diese menschenrechtsnegierende Kulturpflege konzentriert, als vielmehr auf traditionelle Rückbesinnung in europäischen Staaten: zum Beispiel in Polen, das bislang als Musterbeispiel der europäischen Integration galt, aber seit der letzten Wahl ganz vorne als EU-Buhmann rangiert. 

 

Heute Nachmittag lief dazu die Sendung „Yourope“ auf arte. Interviewt wurden fairerweise auch konservativ eingestellte Bürger, denen ihre polnische Identität wichtig ist. Think Tanks plädieren dort für einen „modernen Patriotismus“, der den Bürgern die eigene Geschichte näher bringt und auch Lust machen soll, sich ehrenamtlich für das Land zu engagieren. Am Ende der Sendung hieß es interessanterweise: Polen, ein Land der Gegensätze; Tradition gegen Moderne, Weltoffenheit gegen Abschottung. Meinem Sprachgebrauch zufolge nennt sich das gelebte Vielfalt. Die Hoffnung mag berechtigt sein, dass dies dort auch zukünftig so bleibt. Der beste Garant dafür wäre ein gutes Vielfaltmanagement, das den verschiedenen Gruppen ausreichend Raum für Entfaltung lässt.    

 

Etlichen Meinungsapologeten contra traditionelle Kulturpflege in EU-Staaten scheint es aber nicht um Austausch innerhalb der Vielfalt zu gehen, sondern um pflegeleichten Opportunismus. Wären sie im Übrigen konsequent, dann müssten sie auch auf die Gehörlosenkultur und das gesamte EU-Programm des Minderheitenschutzes, wie es etwa für die Sorben aufgelegt wurde, eindreschen. Offenbar jedoch haben in hiesigen Gefilden Minderheitenkulturen immer Recht mit allem, solange sie in der Minderheit sind. Die Bürger eines Landes der Europäischen Union sollten von daher gesehen nicht allzu pessimistisch sein mit einem eventuellen Ausblick darauf, eines Tages die Minderheit im eigenen Land zu sein. Sollten sie dann in den Genuss des EU-Minderheitenschutzes gelangen, stehen ihnen vielfältige Rechte zu; zum Beispiel „traditionelle Ortsnamen, Straßennamen und andere für die Öffentlichkeit bestimmte topographische Hinweise auch in der Minderheitensprache anzubringen, wenn dafür ausreichende Nachfrage besteht.“  

 

Für Interessierte: Gebündelte Info zur Gehörlosengeschichte und zur Gebärdensprache


11.2.2016

Rassismusbesoffene Toleranz oder toleranzbesoffener Rassismus?

 

Politikern und Journalisten gefällt es anscheinend, so oft als möglich das Wort "Rassismus" im Munde oder mit der Feder zu führen. Das ist bemerkenswert: sollte es doch um Antirassismus gehen. Oder geht es gar nicht so sehr um Antirassismus, sondern vielmehr um Stigmatisierung – weil dieser Vorgang aufregender und geistig weniger anstrengend ist? Wie auch immer: Es gibt wenigstens einzelne Personen, die ernsthaft an einer integrativen Gesellschaft arbeiten. Zum Beispiel Ahmad Mansour mit seinem Engagement gegen muslimischen Antisemitismus und seiner Jugendarbeit in Berlin-Neukölln. Bei Letzterem sei "viel schief gelaufen", sagte er jetzt Deutschlandradiokultur im Gespräch. Die Jugendlichen kommen aus patriarchalischen Strukturen mit Geschlechtertrennung und Tabuisierung der Sexualität. Mansour versucht, deren kritisches Denken zu fördern: auch in Bezug auf ihren ursprünglichen Kulturkreis. Hinderlich daran sei die "falsch verstandene Toleranz in der deutschen Gesellschaft", die ihrerseits Themen tabuisiere und wichtige Probleme nicht anspreche. Wenn etwa Politik akzeptiere, dass Eltern ihre Töchter vom Schwimmunterricht fernhalten und damit bestimmte Geschlechterbilder vermitteln, dann hätten die Mädchen auch später weniger Chancen. Der Psychologe: "Und das ist nichts anderes als Rassismus. Das werde ich nicht Toleranz nennen."


24.1.2016

Rhetorische Winkelzüge

 

Eben gefunden auf faz.net: eine Aussage der Bundesintegrationsbeauftragten Aydan Özoguz: "Was in Köln und anderen Städten geschah, ist kein Ausleben einer Religion." 

 

Dem kann jeder wie auch immer religiös Orientierte zustimmen. Hat das Köln-Desaster dann doch nichts mit der Herkunft der Täter zu tun, wie Özoguz's Aussage impliziert? 

 

Gegenfrage: Warum vermeidet sie das Wort Sozialisation?