1.10.2018
„Wurschtigkeit“ statt Toleranz
Das Bombardement des Toleranz-Gebrülls wird jetzt wissenschaftlich begleitet: von der Forschungsstelle Toleranz an der Uni Kiel. Das Land könnte auch hier wieder erhebliche Gelder einsparen, wenn man sich einfach die Texte aus jenen Zeiten vornimmt, in denen noch normal gedacht und geschrieben wurde. Auf einen potenziellen Missbrauch der Toleranzidee respektive eine missbräuchliche Terminologie wies etwa Kurt Sontheimei 1974 in der Wochenzeitung Die Zeit hin. Für ihn ist Toleranz das Ergebnis einer moralischen Anstrengung: eine Tugend, die nicht die bloße Folge unserer natürlichen Neigungen ist. „Tolerant sein bedeutet also, sich mit etwas abfinden, obwohl es einem gegen den Strich geht.“ Allerdings nicht - bis auf die pauschal ausgegrenzten Kritiker der Migrationspolitik - maßlos und unbestimmt, wie die Forderung danach heute überall auftritt: „Nun wäre es gewiss unsinnig, verlangen zu wollen, man solle sich mit allem und jedem abfinden, was einem widerfährt. Unbegrenzte Toleranz, die alles gutheißt, was geschieht, kann also gewiss nicht der Sinn der Toleranzidee sein.“
Richtig verstandene Toleranz, die weiß, warum und wofür, „ist keine Angelegenheit des Gefühls, sondern ein Akt der Vernunft“. Sie bewege sich, im Gegensatz zur exzessiven Toleranz, innerhalb bestimmter Grenzen. „So kann es sich zum Beispiel ein Rechtsstaat nicht erlauben, die illegale Gewaltanwendung oder den Rechtsbruch generell zu tolerieren, wenn er Rechtsstaat bleiben will. Es kann auch keine Toleranz gegenüber dem Verbrechen und gegenüber der Inhumanität geben.“ Die Kritik der 1980er Jahre bezog sich deshalb auf „die Verwässerung der Toleranzidee durch ihre Identifizierung mit der Gleichgültigkeit“. Unter dem heuchlerischen Schirm von Toleranz dürfe man reden, schreiben, organisieren, solange Herrschaftsinteressen davon nicht berührt werden. „Die Herrschenden halten sich sogar viel darauf zugute, als tolerant und freiheitlich zu erscheinen, aber diese ihre Toleranz … entspringe der Gleichgültigkeit und dem mangelnden Interesse an dem, was andere tun und erleiden, und sie schlage sofort um in die Intoleranz“, in die Verfolgung, wenn bestehende Machtverhältnisse durch Meinungen und Gruppen entscheidend verändert werden. Sontheimei stellte klar: „Toleranz als Selbstzweck, als Dauerhaltung, die sich nicht an anderen Werten (wie etwa Freiheit) orientiert, ist nicht Toleranz, ... sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenstück zur Toleranz ist weniger die Intoleranz als die Indifferenz, salopper gesprochen, die allgemeine ‚Wurschtigkeit‘.“ Die Devise müsste also sein: Null Toleranz fürs Weiterwurschteln und: eine konkret definierte (!) Haltung zeigen.
10.9.2018
Die Konfliktschürer
Seltener Fall eines logisch denkenden Konfliktforschers: Anatol Itten fand das #wirsindmehr-Konzert in Chemnitz kontraproduktiv und schließt eine noch stärkere Polarisierung zwischen Links und Rechts davon nicht aus. „Die Besucher wollen ja, dass wir in einer toleranten Gesellschaft leben, in der Minderheiten akzeptiert werden … Aber wenn es uns darum geht, einen Konflikt zu schlichten und Rechtsradikalismus keinen Nährboden zu geben – dann ist es aus meiner Sicht der falsche Weg. Besser wäre ein Konzert mit progressiven und konservativen Bands gewesen. Und jemand mit Staatsverantwortung wie ein Ministerpräsident sollte sich nicht auf eine Seite stellen, auch wenn er Gesetzesbrüche natürlich verurteilen muss.“
Der Konflikt wird bisher geschürt von all jenen, die unentwegt von „Demokratie“ sprechen, doch lediglich ihre autoritär fundierte Meinungsherrschaft ausbauen wollen. Und von den öffentlich-rechtlichen Brüllern, die Kritikern „Staatsverächtung“ unterstellen ohne jemals auf die Idee zu kommen, dass sich die gewachsene Verachtung allein auf sie als Personen bezieht, die um eine Wiederbelebung der vordemokratischen L’état-c’est-moi-Ära täglich bemüht sind. Ja, auch Frankreich lässt – diesmal nur moderner umschrieben – mit dem Leitsatz des Absolutismus grüßen, sollte es tatsächlich bis Jahresende mit einem „Gesetz gegen politisch motivierte Desinformation“ aufwarten. Es wird in zehn bis zwanzig Jahren festzustellen sein, ob sich die mit Workshops gegen „Rechtspopulismus“ zugetextete Jugend trotzdem von ihrer Indoktrination lösen kann. Entsprechende Veranstaltungen entpuppen sich stets als Stigmatisierungs-Plattformen, wo der mittels rhetorischer Trickserei konstruierte Feind keinerlei Chance zur Richtigstellung bekommt: weil ihm jede Redewendung zu seinen Ungunsten ausgelegt wird. Wem selbst das noch zu umständlich ist, der fordert gleich gänzlich die Einstellung des Dialogs.
19.7.2018
Grüne Agitation als Petition
Online-Petitionen sind gemeinhin ein Werkzeug, um Bürgeranliegen politisches Gehör zu verschaffen. Was es für das demokratische Feingefühl bedeutet, wenn sich Bundestags-abgeordnete dieses Werkzeugs bedienen, mag manch einem den Appetit verderben. Auf der Plattform Change.org steht aktuell die Petition „Brüsseler Erklärung - für die Freiheit der Kunst“. „Initiator*innen: Erhard Grundl MdB, Sprecher für Kulturpolitik, Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion“ und „Claudia Roth MdB, Sprecherin für Auswärtige Kulturpolitik, Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion“. Unterzeichner sind neben Schauspielern wie Hape Kerkeling und Künstlern die gesammelte grüne Mannschaft: von Annalena Baerbock MdB, Parteivorsitzende, und Robert Habeck, Parteivorsitzender, bis Katrin Göring-Eckardt, MdB, sowie weitere Politiker wie Petra Pau, MdB, Bundestagsfraktion Die Linke.
Der Petitionstext ist eine einzige Umkehrung der faktischen Lage. Nach der Hatz auf den Schriftsteller Uwe Tellkamp und dem Wechsel des Suhrkamp Verlags auf die „Seite der Gouvernanten und Gesinnungsprüfer“, nachdem linke Politiker im Leipziger Stadtrat (erfolglos) versucht hatten, rechten Verlagen kein Forum zu bieten, nachdem die Buchmesse trotzdem für einseitige politische Instrumentalisierung missbraucht wurde sowie nach weiteren antidemokratischen Ausfällen der Deutungselite steht jetzt in der Petition: „Das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Vielfalt und die Freiheit der Kunst in Europa sind in Gefahr.“ Wäre das eine grüne respektive linke Selbstkritik, dann träfe das zu. Ist es aber nicht. Schuld sind nämlich demnach „die rechtsnationalen Regierungen in Österreich, Ungarn und Polen“, die „mit einer Politik der nationalen Abschottung die Kreativszene für ihre Zwecke einzuspannen“ trachteten. In Deutschland drohe das auch. Die grüne Bundestagsfraktion also spannt die Kreativszene für ihre europaspaltende Schimpftirade gegen selbstbewusste EU-Länder ein und empört sich dann darüber, dass sich andere auch der Kreativszene bedienen, falls es denn überhaupt stimmt.
Die Petition mit ihrer Darstellung des ORF-Moderatoren Armin Wolf als Opfer einer Rechts-Außen-Kampagne und des Bashings der Länder Österreich, Ungarn, Polen, erinnert übrigens stark an den peinlichen Brief der deutschen TV-Elite an Sebastian Kurz. Im Vergleich erschließt sich, warum Vertreter der kleinsten Oppositionspartei ständig in Talkshows sitzen.
10.7.2018
Schorndorf: Die vorgegaukelte heile Welt
Die hoffärtigen Medien dieser Zeit, allen voran der „Faktenfinder“ der Tagesschau, investieren erstaunlich viel Energie in die Strickerei von Halbwahrheiten bis hin zu Falschdarstellungen, mittels derer den Bürgern, bar jeder Verantwortung, eine heile Welt vorgegaukelt wird. Kaum deutlicher wird das am Beispiel Schorndorf. Zur Vorgeschichte: Beim Schorndorfer Volksfest letzten Sommer ging eine Meldung der dpa raus, dass 1.000 Jugendliche dort randaliert hätten. Grundlage dafür war eine missverständlich formulierte Polizeimeldung. Den Ausfällen in Schorndorf hatten sich die alternativen Medien im Netz angenommen, woraufhin – nachdem die Zahl der gewalttätigen Jugendlichen herunter korrigiert war – ein Shitstorm der etablierten Medien gegen die angeblich rechten Hetzer im Netz losbrach, von wegen es habe gar keinen Mob gegeben. Einige Vorgänge dazu sind auf dieser Seite nachlesbar.
Der Tagesschau-Faktenfinder wird bis heute nicht müde, die Angelegenheit immer wieder für seine Agitation gegen aufklärende Aktivisten im Internet zu instrumentalisieren – und zwar mit äußerst eigenwilligen „Fakten“: „Bei einer Schülerfeier im Schlosspark hätten ‚zwei kleine Gruppen‘ mit Flaschen geworfen … Zu den zwei Gruppen im Schlosspark habe jeweils eine ‚untere zweistellige Zahl‘ von Menschen gehört“, wird der Schorndorfer Bürgermeister Matthias Klopfer dort zitiert. Man sehe sich zum Vergleich gerne einen Auszug der (korrigierten) ausführlichen Folgemeldung der Polizei an: Ein 20-jähriger Deutscher sollte nach einer Körperverletzung festgenommen werden. „Dieser widersetzte sich massiv seiner Festnahme. Hierbei solidarisierte sich eine größere Gruppe von ungefähr 100 Personen, überwiegend mit Migrationshintergrund mit dem Festzunehmenden und versuchte die Einsatzkräfte körperlich anzugehen. Die Beamten mussten den Einsatz von Pfefferspray und Einsatzstock androhen, um unmittelbar bevorstehende Angriffe zu verhindern. Im weiteren Verlauf kam es hierbei zu massiven Flaschenwürfe gegen die Einsatzkräfte … Die eingesetzten Beamten berichteten von einem hohen Gewaltpotential dieser etwa 100 Personen umfassenden Gruppe … Gleichwohl sind der Polizei in diesem Jahr sexuelle Belästigungen angezeigt worden, was in den vergangenen Jahren in diesem Zusammenhang nicht der Fall gewesen ist. Die Gewalt gegen eingesetzte Polizeibeamten im Schlossgarten hat eine Qualität erreicht, die zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar war und die es noch nie in Schorndorf gegeben hatte.“
Was vor diesem Hintergrund der Zeitungsverlag Waiblingen zur bevorstehenden Schorndorfer Woche 2018 am Wochenende schreibt, ist bittere Realsatire: „Die SchoWo 2018 kann nicht beginnen, ohne einen Blick ein Jahr zurückzuwerfen: Schorndorf stand deutschland-, europa-, ja weltweit in den Schlagzeilen. Seit geraumer Zeit steht aber definitiv fest: Fake-News waren verantwortlich für diese zweifelhafte Berühmtheit … Es waren eben nicht Horden von Asylbewerbern in den Schlosswallgüten unterwegs. ‚Wir haben schon schlimmere Sachen auf der SchoWo erlebt als das im letzten Jahr‘.“ Jürgen Dobler, Sprecher der SchoWo-Vereinsgemeinschaft, hat das gesagt. Trotzdem werde „nach den Vorfällen im letzten Jahr, die letztlich so gut wie keine waren“, die Polizeipräsenz verstärkt. Dobler wird sich „so sicher wie in Abrahams Schoß fühlen“ und seine Mitstreiter sind alle „extrem gelassen“ angesichts des „Maximums an privatem Sicherheitsdienst“. Das will so gar nicht mit dem korrelieren, was die Stuttgarter Zeitung gerade berichtet: „Kurz vor dem Stadtfest Schowo wird eine 13-Jährige belästigt. Die Polizei schlägt Alarm: Straftaten im öffentlichen Raum hätten massiv zugenommen.“ Konkret zum Fall: Am Mittwoch wurde das Mädchen in einer Unterführung am Bahnhof von fünf bis sechs Jugendlichen umringt und betatscht. „Die Täter werden beschrieben als arabisch aussehend, einer von ihnen als dunkelhäutig.“ Die Schilderungen der 13-Jährigen seien „absolut glaubwürdig“, so ein Polizeisprecher. Der Vorfall reihe sich ein in eine Reihe von Delikten wie Drogenhandel und um 20 Prozent gestiegene Aggressionsdelikte. „Die Kriminalität im öffentlichen Raum ist in Schorndorf auf einem Fünf-Jahres-Hoch.“ Verantwortlich für die Kriminalität seien vornehmlich zwei rivalisierende Gruppen. Die eine bestehe aus Deutschen und jungen Leuten mit unterschiedlichem Migrationshintergrund und die andere aus etwa vor einem Jahr aufgetauchten jungen Syrern und Afghanen. Was man übrigens bei der Stuttgarter Zeitung sonst noch erfährt: „Auf einer Pressekonferenz nach der Schowo (2017) hatten der Schorndorfer OB Matthias Klopfer und der Polizeipräsident Roland Eisele die Vorfälle unterschiedlich bewertet. Auch nach dem Reizgasangriff vor einem Monat hatte Klopfer gesagt, Schorndorf habe ‚kein Sicherheitsproblem‘.“ Beim „Faktenfinder“ der Tagesschau findet sich nichts von dieser unterschiedlichen Bewertung. Es kommen dort nur brave Genossen zu Wort.
12.3.2018
Schweigende Schüler: Das Zerrbild beim Spiegel
Am Wochenende im Kino gesehen: „Das schweigende Klassenzimmer“ nach einer wahren Begebenheit. Ein beeindruckender Film über eine Abiturklasse in der DDR, die eine Schweigeminute für die Opfer des Ungarn-Aufstands 1956 einlegt und zur Strafe vom Abitur auf realsozialistischem Boden ausgeschlossen wird. Es geht auch um Lebenslügen, um schweigende Mütter, um böse Verräter, um das allgegenwärtige Schimpfwort „Faschist“ und um piefige Verhaltensregeln bis hin zum soldatischen „Freundschaftsgruß“. Eine schreckliche Atmosphäre muss das gewesen sein.
Beim Spiegel scheint man grob verärgert zu sein ob dieser realen Zustandsbeschreibung des einstigen, von Ewiggestrigen immer noch verklärten Staates. Von „Zeitgeschichtsquark“ liest man dort gleich im Anreißer, ohne nachvollziehbare Begründung. Es werde „nichts über die Zwänge des Menschen im repressiven Regime - über die kleinen Feigheiten, die dauernden Kompromisse“ erzählt. Kindgerecht weiter formuliert: „Es ist also gar nicht so leicht, Mut zu haben und solidarisch zu sein, wie es in Filmen wie ‚Das schweigende Klassenzimmer‘ immer ausschaut.“ Nichts davon ist richtig. Für die Kürze der Zeit hat man die Zwänge und Feigheiten sehr nuanciert im Film untergebracht. Und dass dem Zuschauer der Eindruck vermittelt würde, es sei in dieser autoritären Diktatur leicht gewesen mutig und solidarisch zu sein, ist eine offenkundige Falschdarstellung. Es sei denn, der Redakteur hielt sich Augen und Ohren zu. Oder aber es gefiel ihm nicht, wie der Regisseur den strammen Kommunisten und Volksbildungsminister Fritz Lange auftreten ließ: „Jeder, der nicht für den Sozialismus ist, dem hau ich in die Fresse!“ Der Spiegel dazu: Der Volksbildungsminister könne „sein parodistisches Potential schlecht verhehlen“: „Ein Instant-Auftritt der ganz, ganz argen Strenge, der wie ein Internet-Meme beliebig in Nazi- oder DDR-Filme verpflanzbar scheint.“
Bingo. Es ist ein gutes Zeichen, dass dieser sehenswerte Film in hiesigen Kinos läuft.
Leserkommentare zur Spiegel-Rezension: „Dieser Film verdient es an deutschen Schulen gezeigt zu werden und in den Wohnzimmern mit Helikopter-Eltern, die auf eine Grippe ihrer Kinder mit panischer Schnappatmung reagieren. Der Film zeigt viele Facetten einer Generation, die sich der Schuld der Vergangenheit bewusst gewesen ist, sie nicht verklärt hat, aber mit Mut Zukunft eingeladen hat. Man muss sich schon anstrengen, das nicht zu erkennen.“ - „Was da am Film kritisiert wird, betreibt dieser zu Recht unbekannte Kritiker in Reinkultur! Er lötet mit einem in die Jahre gekommenen Lötkolben alle möglichen und unmöglichen Klischees zusammen!“ - „Es braucht mehr solcher Filme, in denen an real-konkreten Beispielen die Unmenschlichkeit des Systems gezeigt wird, auch in den späteren Jahren der DDR.“
5.3.2018
Konstrukte der selbsternannten Weltoffenen
Seit Monaten wird den Zuschauern öffentlich-rechtlicher Polittalks die Konfliktlinie Weltoffenheit versus Nationalismus respektive Protektionismus untergejubelt. Das ist eine oberflächliche Konstruktion zum Zweck der Aufwertung der Einen und Abwertung der Anderen. Aktuelles Beispiel: Beim gestrigen Internationalen Frühschoppen zur „Krise der Sozialdemokratie“ lancierte Ferdos Forudastan von der Süddeutschen Zeitung diese Konstruktion in einer rhetorischen Frage: „Wie stehen wir zu Europa: weltoffen oder geben wir dem Bedürfnis vieler Menschen nach höheren Mauern, nach mehr Grenzen nach.“
Der aufgemachte Gegensatz ist ein rhetorischer Trick. Denn wer als vernunftgeleiteter Bürger angesichts des anhaltend hohen Zuzugs von Personen ohne gültige Pässe für Grenzsicherung eintritt, der kann selbstredend trotzdem weltoffen sein. Das Bedürfnis nach gesicherten Grenzen – das nicht gleichbedeutend ist mit den unredlich unterstellten „höheren Mauern“ – liegt vollumfänglich im internationalen menschenrechtlichen Konsens: „Artikel 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verpflichtet die Staaten, die Freiheit und Sicherheit aller Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen, und das unabhängig davon, ob diese Beeinträchtigungen durch staatliche Organe oder durch Dritte erfolgen. Artikel 3 verpflichtet die Staaten daher auch dazu, Vorkehrungen zum Schutz seiner Bürger zu treffen.“ Mit Weltoffenheit argumentieren heute jene, die damit lediglich grenzenlose Zuwanderung meinen und sonst nichts. Teils führt Gedankenlosigkeit das Zepter und teils die unrealistische Überzeugung, Zugewanderte seien unisono – ungeachtet kultureller Sozialisation – empfänglich für unsere Formen des Zusammenlebens. Der sozialisationsnegierende Aktivismus begünstigt die Bildung von Parallelgesellschaften, die sich zum Beispiel in Berlin zeigen wie folgt: „Seit Jahrzehnten machen in Berlin die kriminellen Araberclans, was sie wollen, wie sie es wollen und wann sie es wollen.“ Ignoranz verhindert, Konsequenzen zu bedenken. Die Konfliktlinie verläuft heute zwischen Kurzsichtigkeit der angeblich Weltoffenen und Weitsichtigkeit der Überlegten.
Eine Herleitung der „Weltoffenheit“ ist in diesem Dokument der Uni Greifswald zu finden. Der Begriff wurde seit Ende des Zweiten Weltkriegs zunehmend politisiert.
27.2.2018
Verzerrende Wortwahl zur politischen Ordnung
„Ich persönlich glaube, dass die starke Fixierung auf den Nationalstaat eher etwas Irrtümliches ist“, lässt Anton Hofreiter von den Grünen jetzt verlauten. Wer pflegt überhaupt diese unterstellte „starke Fixierung“ auf den Nationalstaat? Das wird wohl in der heutigen vernetzten Welt allenfalls eine verschwindend geringe Minderheit betreffen. Die Mehrheit derer, die den Austausch zwischen erkennbar verschiedenen Kulturen – also kulturelle Vielfalt – schätzt und auch aus Gründen der Souveränität gegen eine Auflösung der Nationalstaaten ist, würde sich anders ausdrücken; zum Beispiel von einer Wertschätzung des Nationalstaats als Friedensgarant sprechen, wie es der Soziologe Wolfgang Streeck (aus dem linken Lager) gegenüber der NZZ getan hat: „Dem National-staat und nicht internationalen Organisationen gehöre die Zukunft … Nur hier gebe es demokratische Kontrollmacht.“ Was überhaupt an ihre Stelle treten solle? Eine einheitliche EU-Regierung führe zur Spaltung. „Europa von Hammerfest bis Palermo unter einer Regierung ginge nur als Technokratie, abgelöst von den Vorstellungswelten seiner Bürger, regiert von moralisch sich überhebenden Besserwissern. Es wäre eine politische Gemeinschaft ohne gemeinsame Sprache, ohne gemeinsame Traditionen, ohne ein gemeinsames Verständnis von Problemen und Lösungen – ein Kopf- und Kunstprodukt.“ Der Nationalstaat sei fortschrittlich und wichtig, um regional fundierte Interessen ansässiger Bevölkerungen in der Welt zu vertreten. „Gerade das habe in Westeuropa zu langfristigem Frieden geführt.“ Da solche Argumente oft unter den Tisch fallen und wiederholt versucht wird, diese Sichtweise mit dem Begriff „Nationalismus“ in eine schmuddelige Ecke zu verbannen, ist eher an eine Fixierung dieser Protagonisten auf die Auflösung der Nationalstaaten zu denken.
25.1.2018
Plattitüden aus Davos
Klartext habe die geschäftsführende Bundeskanzlerin beim Weltwirtschaftsforum in Davos gesprochen, heißt es jetzt im Gros der Medien. Wie die Redakteure darauf kommen, ist nebulös. Konkret sprach sie sich „für ein entschlossenes Vorgehen“ gegen – den stets willkürlich benannten – Rechtspopulismus aus: „Deutschland versuche, diese Entwicklung unter Kontrolle zu bekommen.“ Neben dieser vernebelten Drohung, die Meinungsfreiheit weiter zu bekämpfen, warnte sie außerdem „vor Verallgemeinerungen in der politischen Debatte“. Wer genau was verallgemeinert, führte sie nicht aus. Der eine oder andere Leser wird sich vielleicht am ehesten an generalisierende Plattitüden aus der Politik erinnern, wie etwa an „Wir schaffen das“ oder „in einem Land, in dem wir gut und gerne leben“. Nationalismus und Protektionismus sei jedenfalls falsch: „Wir glauben, dass Abschottung uns nicht weiterführt. Wir glauben, dass wir kooperieren müssen.“ Wer mit „Wir“ gemeint ist, bleibt unklar. Und welche Länder sich angeblich abschotten, bleibt ebenfalls im Dunst der Verallgemeinerung. Die Visegrad-Staaten kann sie nicht ernsthaft gemeint haben, da diese Länder gut zu kooperieren scheinen und ein vielfältiges, dem kulturellen Austausch verpflichtetes Europa erhalten wollen. Des Rätsels Lösung könnte darin begründet liegen, dass es eben Staaten respektive Personen gibt, die nach Ansicht der geschäftsführenden Bundeskanzlerin, die sich durch die gedrückten Daumen der Teilnehmer in Davos eine schnellere Bildung ihrer eigenen Regierung erhofft, gar nicht kooperationswürdig sind. Deswegen kann man auch schon mal den bulgarischen Präsidenten brüskieren.
Leserkommentare zur Sache: „Soso, die Kanzlerin möchte den ‚Rechtspopulismus‘ unter Kontrolle bekommen. Offenkundig deshalb, weil Merkel infolge ihrer linkspopulistischen und kurzsichtigen Politik die Kernprobleme Deutschlands nicht unter Kontrolle bekommt - da stören eben diejenigen politischen Kräfte, die dies zur Sprache bringen, und so werden kurzerhand diese politischen Kräfte zum Problem erklärt.“ – „Die ‚Linken‘ wollen also die ‚Rechten‘ (welche Verallgemeinerung) unter Kontrolle bringen. Mit welcher Legitimation eigentlich?“ – „Ihre Politik ist die beste Werbung für das Erstarken des Rechtspopulismus.“ – „Frau Dr. Merkel (so viel Zeit muss sein) kann man nicht mal mehr eine von ihr durchgesagte Uhrzeit abkaufen.“
Nachtrag vom 26.1.: Bild titelt: "Davos – der abgeschottetste Ort der Welt: Weiter weg von den Menschen geht nicht!" Und die SHZ berichtet über Polens Ambitionen in der EU-Politik inklusive Kritik am deutschen Justizsystem. Achgut bringt die übersetzte Rede von Trump.
Nachtrag vom 27.1.: Bei der Tagesschau hat man den letzten Rest an journalistischem Stolz verloren: Tagesschau dreht Buhrufe für Trump etwas lauter, so die Welt.
12.1.2018
Trivialisierung mörderischer Gewalt
Telepolis brachte Ende Dezember einen eindringlichen Beitrag, der bis dato über 2.700 Kommentare nach sich zog. Unter dem Titel „Verschleierter Frauenmord: Das unwerte Leben der Mia aus Kandel“ lässt man sich auch nicht beeindrucken von der Ablenkungsrhetorik der deutungshoheitlichen Herrschaften: „Rassismus ist nie eine Lösung - egal für was. Aber Kulturrelativismus, also die Verherrlichung fremder Kulturen und die Negierung der mit dieser Kultur verbundenen Probleme, z.B. ein archaisches Frauenbild, das durchaus existenzgefährdend in die Praxis umgesetzt wird, auch nicht. Im Gegenteil.“ Das Gefährdungspotenzial müsse endlich zur Kenntnis genommen werden. Das wird es immer noch nicht. Tagesschau.de zeigt auf, dass offensichtlich kein Vorfall gravierend genug sein kann, um nicht weiterhin mit gepflegter Vordringlichkeit am rechten Popanz zu basteln. Die Anhänglichkeit dieser Meinungsmacher an ihre stereotypisierte Gruppe – eine klassische Diskrimi-nierung – trägt längst fanatische Züge. „Hass und Widersprüche in Kandel“ titelt man dort und meint damit nicht den Hass des Mörders. In Rechenschaft gezogen werden jene, die sagen „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…“. Außerdem habe ein Betreuer erzählt: Abdul D. verhielt sich nicht auffäl-lig. „Er sei zwar emotional gewesen, habe aber durchaus eingesehen, wenn er einen Fehler gemacht habe.“ Wie es um so manchen betreuenden Flüchtlingshelfer bestellt ist, zeigt ein anderer Fall.
Vor der Hattersheimer Asylunterkunft „Kastengrund“ hat am 2. Januar ein Syrer (Shiar A., 26) einen Afghanen (39) erstochen. Im Höchster Kreisblatt wird der Leser gleich im Vorspann auf die Idee gebracht, die Behörden könnten daran schuld sein. Des Weiteren versucht man zu eruieren, wie es zur Bluttat kommen konnte, „wo doch Täter wie Opfer aus Ländern kommen, in denen ein Menschenleben nicht viel gilt“. Im Brustton der Überzeugung dann: „Deswegen suchen ja Frauen und Männer Schutz und Frieden in Europa.“ Der anonymisierte Flüchtlingshelfer „Marvin Z.“ betreute Shiar A. in der Asylunterkunft. Ein schwieriger Mensch sei dieser schon gewesen, auch jähzornig. Nach einer „körperlichen Auseinandersetzung“ in Schwalbach wurde er nach Hattersheim verlegt. Er war dann „sehr niedergeschlagen gewesen, weil er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Ausreiseverfügung zugestellt bekommen hatte“. Ende Dezember hätte Shiar A. nach Bulgarien ausreisen müssen, weil er von dort aus in die Bundesrepublik kam. Kurz zuvor habe er die Zusage für eine Stelle als Reinigungskraft bei einem Verkehrsunternehmen bekommen.
„Die Behörden ließen die abgelehnten Asylbewerber mit den Problemen einer Aus- oder Weiterreise gänzlich alleine“, kritisiert Marvin Z. – ohne zu erklären, warum nicht er ihm dabei behilflich war respektive warum er ihn nicht an einen der unzähligen Migrationsvereine vermittelte. Pädagogisch gesehen ein absolutes No-Go: Shiar A. kam mit den 360 Euro im Monat nicht aus und stand ab Mitte des Monats mittellos da: „Er hat das Geld irrational ausgegeben. Ich habe ihm öfters dann Geld gegeben (!), damit er sich etwas zum Essen kaufen konnte.“ Er sei auch schwarz mit dem Zug gefahren. „Selbst vor Fernfahrten schreckte er nicht zurück. Er wolle etwas von Deutschland sehen, habe ihm Shiar A. dann erklärt. Schließlich kaufte ihm Marvin Z. dann regelmäßig RMV-Monatskarten. Der junge Syrer sei starker Raucher gewesen, so habe er auch für Zigaretten viel Geld ausgegeben.“ Die „Kasernierung“ in der Unterkunft sei zwar kein Grund, um gewalttätig zu sein. „Es sei aber eine Erklärung, warum die Nerven bei manchen Asylbewerbern blank liegen.“
Der Beitrag hinterlässt insgesamt den Eindruck: weder die Redaktion noch der Flüchtlingshelfer begreifen die Tragweite eines Tötungsdeliktes. Es geht einzig darum, human dazustehen. Und selbst daran scheitert, wer seine Klientel nicht als Verantwortungssubjekt ernst nimmt, sondern als Opfer ihrer Triebe bestätigt. Bequem ist das allemal. Durch den Verzicht auf Grenzsetzung kann sich der zu Betreuende in seiner Forderungshaltung einrichten und der Betreuer schwierigen Auseinandersetzungen weiterhin ausweichen. Die weitreichendere Konsequenz solcher Berichte fürs Fotoalbum ist die Trivialisierung von Mord und Totschlag. Wo sich niemand verantwortlich sieht, kann es sich nur um zwar bedauernswerte, aber unvermeidbare Schicksalsschläge handeln. Ähnliches wird also wieder geschehen; mit desto steigender Tendenz, je öfter die kindsköpfige Behauptung kursiert, ohne Ausreiseaufforderung der Behörden würde bestimmt alles gut verlaufen.
Wer sich mit harten Fakten konfrontieren lassen kann und sich für Fragen rund um Kandel an die Staatsanwaltschaft interessiert, wird beim Rheinneckarblog fündig.
5.1.2018
Pfeiffer's politisch motivierte Mission
Da man nun nach Veröffentlichung der Pfeiffer'schen Studie das Mantra von angeblich erhöhter Anzeigebereitschaft der Opfer bei ausländischen Fremden herunterbetet, sei der Text "Der Spekulatius-Kriminologe" vom 12.10.2017 auf dieser Seite erwähnt. Die behauptete "zivilisierende Wirkung" von Frauen, mit der er für den Familiennachzug argumentiert, dürfte sicher nicht pauschal gemeint sein und dass Syrer, Iraker und Afghanen deutlich seltener im Kriminalitätsgeschehen auffielen wird wohl nicht nur jene erstaunen, die regelmäßig das Blaulicht Presseportal verfolgen: Wie die Bundesregierung gerade mitteilte, richten sich eingeleitete Terrorverfahren mehrheitlich unter anderen gegen Afghanen und Syrer. Siehe auch die Zahlen zur Polizeistatistik 2016.
Nachtrag: Statistik in Bayern 2016: "Bei den Flüchtlingen gerieten vor allem Syrer, Afghanen, Iraker und Nigerianer unter Verdacht, die auch große Flüchtlingsgruppen bilden." Außerdem: Steigende unerlaubte Einreisen aus Dänemark und Skandinavien: "Bei den Personen handelte es sich insbesondere um Afghanen, Iraker und Syrer."
Nachtrag vom 14.1.: "Pfeiffer, so ist festzuhalten, hat durch seine Arbeit eine eigene Kategorie in der Kriminalitätsstatistik geschaffen: des ideologischen Intensivtäters."
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