23.8.2016
Verfolgungsmilieus damals wie heute
Angesichts der öffentlichen Hatz auf engagierte Bürger, die Missstände rund um die Flüchtlingspolitik aussprechen, lohnt es sich einmal die Frage zu stellen: Was hat sich eigentlich, die Mentalität von Menschen und den Mechanismus des Geschehens betreffend, seit der Zeit der Hexenverfolgung überhaupt geändert? Die nämlich konnte strukturell nur stattfinden, weil es sowohl ein erhebliches Verfolgungsbegehren einer opportunistischen Bevölkerung als auch eine Verfolgungsbereitschaft der Obrigkeit gegeben hat.
Rita Voltmer und Franz Irsigler nehmen in ihrem wissenschaftlich fundierten Aufsatz die bis heute verbreiteten Verschwörungstheorien auseinander: „Mit besonderer Hartnäckigkeit hält sich das Vorurteil, Hexenprozesse hätten in ihrer großen Masse vor geistlichen Inquisitionsgerichten stattgefunden. Diese Behauptung kann nicht einmal für die Frühzeit der Hexenprozesse zwischen 1430 und 1500 als korrekt gelten; denn bereits hier waren neben Inquisitoren auch weltliche Gerichte an der Verfolgung angeblicher Hexen und Hexenmeister beteiligt.“ Hexenverfolgungen seien eindeutig ein Phänomen der Frühen Neuzeit und nur bedingt des Mittelalters. „Die Initiative zur Einleitung von Hexenprozessen ging in der Regel von einer durch Krisen und Anti-Hexen-Propaganda sensibilisierten Bevölkerung aus.“ Doch „nur wenn die Obrigkeit bereit war, ihren gesamten Justizapparat in den Dienst der Verfolgungen zu stellen, konnten Serien von Hexenprozessen geführt werden, das heißt Fürsten, landesherrliche Regierungen und über Hochgerichtsrechte verfügende Stadträte mussten Hexenjagden zumindest dulden“. Mitarbeit von „Untertanen“ war unerlässlich; also „Denunzianten und Zeugen, die den vermeintlichen schlechten Ruf der Angeklagten und ihr verdächtiges Verhalten bestätigten“, Rechtsgelehrte, Richter, Büttel und Henker sowie als Multiplikator Universitäten, wo zur Sache Generationen von Juristen ausgebildet und später entsprechend eingesetzt wurden.
Die Autoren stellen fest: „Bei allen großen europäischen Verfolgungen finden sich in diesem Bereich herausragende Förderer und Nutznießer der Hexenprozesse“, getrieben von „ausgeprägtem Sendungsbewusstsein, Geltungssucht und dem Drang, ihre in Hexenprozessen gemachten Erfahrungen publizistisch zu verbreiten und im Nachhinein zu legitimieren“. In den von Gemeinden anberaumten Hexenausschüssen gab es explizite Aufträge, gegen verdächtigte Personen Indizien und belastendes Material zu sammeln. So kam es teils „zu regelrechten Bürgerinitiativen, in denen die Gemeinde in erstaunlicher Geschlossenheit Prozesse gegen der Hexerei verdächtige Personen forderte“. Wo die persönlichen Kontakte zwischen Gerichtsherren, Amtsleuten, Schöffen und Einwohnern groß und die Kommunikationswege kurz waren, bildeten sich hermetisch abgeschlossene Verfolgungsmilieus. Dort wütete die Hexenverfolgung besonders schwer. „Die unzähligen Gerichtspersonen, Gutachter, Kommissare und Notare erlangten durch ihre Beschäftigung in Hexenprozessen oft eine bemerkenswerte soziale Machtstellung, die manchmal, wenngleich nicht immer, auch mit finanziellen Vorteilen verknüpft war.“ Die Prozesse wurden außerdem von der adeligen Herrschaft als egoistisches Machtstreben instrumentalisiert und absichtlich inszeniert.
Zu allen Zeiten gab es zwar kritische Stimmen „aus allen konfessionellen Lagern und aus allen Bevölkerungsschichten“. Doch sich gegen den Strom zu stellen, war höchst riskant. Das „durch obrigkeitliche Zensur kontrollierte Veröffentlichungsmonopol“ besaßen die Verfolgungsbefürworter. Die Masse der Überlieferungen repräsentierte „die offiziell sanktionierte, meinungsdominierende Hauptrichtung in der Hexereidebatte, die gestützt wurde von obrigkeitlicher Macht und gesichtsloser Öffentlichkeit, von Mitläufern, Prozessgewinnlern und Menschen, die aus Angst um ihr Leben nicht wagen konnten, Hexenjagden zu kritisieren“. Umso höher müssten „daher die Zeugnisse jener bewertet werden, die mehr oder weniger offen Kritik am Verfolgungseifer übten“. Zu verdanken sind diese Zeugnisse den in der Minderheit befindlichen Personen mit der Mentalität eines Whistleblowers. Das heute - wieder mal von Opportunisten - gezeichnete Schmäh-Bild von Personen, die Missstände aussprechen, wird sich rückwirkend auch noch wandeln. Es fragt sich nur, was bis dahin noch alles passieren muss.
8.7.2016
Das böse Ei und weitere Bluffs
„Kann es sein, dass wir mit Zahlen um die Wahrheit betrogen werden?“ Eine Sendung auf Phoenix zeigte gestern auf, wie einfach Studien und Statistiken manipuliert werden können, ohne dass es jemand merkt. Genauer unter der Lupe standen Diabetes Typ 2 und Prädiabetes: Je niedriger die Grenzwerte angesetzt, desto mehr Medikamente werden verordnet, weil plötzlich Millionen von Menschen als gefährdet gelten. „Der Patient hat davon keinen Nutzen.“ Etliche Studien seien nicht unabhängig zustande gekommen; teils von Ghostwritern erstellt, treten dennoch renommierte Wissenschaftler als Autoren auf. Ähnlich laufe es beim Cholesterin, für dessen Anstieg auch das „böse Ei“ verantwortlich gemacht wird. Tatsächlich habe Cholesterin im Blut wenig mit Ernährung zu tun. Auch hier wurden Grenzwerte immer wieder abgesenkt. Dadurch werden „von einem Tag zum anderen ganze viele Menschen zu Patienten, obwohl sich überhaupt nichts an ihrem Zustand geändert hat“, sagt die Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser. Die Dramatisierung von Diabetes und Co. hat Beweggründe: „Interessengruppen profitieren, wenn Menschen immer kränker werden.“ Es winken Forschungsgelder und Milliardenumsätze. Wissenschaftliche Darstellungen zu TTIP wurden ebenfalls auseinander genommen. Hier hat man von Seiten EU-naher Institute mit Grafiken optisch getrickst. Info: das globale Netzwerk „Cochrane“. Dort werden Gesundheitsinfor-mationen frei von kommerzieller Förderung und Interessenkonflikten zusammengetragen.
13.2.2016
Denunziation versus Whistleblowing
Schon längst gehörten solche Vorgänge, wie sie jetzt Achgut beschreibt, gesellschaftlich geächtet: Eine Schulbehörde zwangsversetzte einen Lehrer, der im privaten Rahmen auf Facebook die AfD geliked hat; ohne sich jemals in der Schule politisch einseitig geäußert zu haben. Der Landtag antwortete auf eine Anfrage: "...wurde festgestellt, dass diese Meinungsäußerungen der Lehrkraft weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich relevant waren." Trotzdem entfaltete die sich gegenseitig aufgeschaukelte Denunziation seitens Schulbehörde, Schülervertretung und CDU-Politikern die größere Wirkung.
Grotesk ist dies aus drei Gründen:
Erstens, weil willkürlich aus der Taufe gehobene Vorwürfe von Einzelpersonen zu Konsequenzen führen; die externe Überprüfung, hier seitens des Landtags, hingegen nicht.
Zweitens: Weil sich die Denunzianten moralisch hochrüsten, obwohl sie gleich drei Artikel der Menschenrechtserklärung missachten: Artikel 12: "Niemand darf willkürlichen…Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden." Artikel 18: "Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, …seine Weltanschauung…öffentlich oder privat…zu bekennen". Artikel 19: "Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie…zu verbreiten."
Und drittens, weil die Vorgänge Denunziation und Whistleblowing vertauscht werden. Während sich oben genannte Akteure als Aufdecker eines Missstandes sehen, werden Akteure, die im Sinne von Whistleblowing agieren, als Denunzianten oder gar Blockwarte beschimpft: Hierzu lese man gerne den Offenen Brief an Volker Kauder und dessen Antwort.
Den Unterschied zwischen einem „ehrbaren Whistleblower und einem feigen Denunzianten“ fasste Peter Schneider für den Schweizer Tagesanzeiger zusammen. Die drei wesentlichen Elemente sind erstens: Der Whistleblower handelt nicht egoistisch motiviert, da er nicht nach persönlichem Vorteil oder medialer Aufmerksamkeit strebt. Zweitens: Er enthüllt einen gravierenden Missstand auf Seiten von Machthabenden. Und drittens gibt es ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Enthüllung. "In dem Maße, wie ein Enthüllungsakt von diesen drei Kriterien abweicht, verflüchtigt sich dessen Ehrbarkeit und verschiebt sich das Whistleblowing zum Denunziantentum. Und aus dem Helden wird eine selbstsüchtige Petze, ein querulatorischer Rechthaber oder eine sonst wie tragische Figur."
7.1.2016
Linke Medien: lieber Täterschutz als Whistleblowing
Es gibt nur einen bekannten Verein in Deutschland, der sich um Whistleblower kümmert. Leider. Denn der ist zu einem guten Teil linksideologisch bestimmt. Wer etwa bei dem unsäglichen Gründungsversuch einer Regionalgruppe in Berlin dabei war, kann ein Lied davon singen.
Aufgrund der linken Vereinnahmung des Themas Whistleblowing wurde dessen Potenzial – ganz ähnlich auch beim Thema Menschenrechte – bereits im Keim erstickt. Wie das geht? Man definiert einen Missstand als solchen, wenn er gerade ins Weltbild passt und lässt nicht-konforme Missstände außen vor oder beschönigt diese.
Ein Beispiel: Inge Hannemann – man erinnere sich: die glorifizierte Heldin der Jobcenter-Beschimpfer – wird kurzerhand zur Whistleblowerin erklärt, weil sie es skandalös findet, wenn Jobcenter bei fehlender Kooperation der Antragsteller zu Sanktionsmitteln greifen und weil sie dies als Mitarbeiterin eines Jobcenters öffentlich machte. Sie hatte von Anfang an eine riesige Lobby von Seiten der Medienbranche sowie von steuergeldlich gepäppelten Agitationsvereinen. Ergebnis: Hannemann bekam den taz-Panter-Preis für Zivilcourage, den Clara-Zetkin-Frauen-preis der Linkspartei, das „Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte“ der Humanistischen Union und last but not least: ein Mandat von der Partei Die Linke für die Hamburgische Bürger-schaft, wo sie derzeit residiert. Das hat sich wohl gelohnt: in erster Linie für die genannten Gruppierungen, die sich mit dem ideologischen Futter vollfraßen, und in zweiter Linie für Hannemann selbst.
Eigentlich aber sind Whistleblower Menschen mit gut funktionierendem Gewissen, die - trotz des Risikos dann Mobbingopfer zu werden – uneigennützig Missstände öffentlich machen, wenn diese erheblichen Schaden für die Gesellschaft befürchten lassen und die Angelegenheit nicht auf dienstlichem Wege lösbar ist. Nach der ursprünglichen Definition ist eine typische Whistleblowerin etwa Tania Kambouri, die bereits vor dem deutschen Silvesterschock über polizeirelevante Missstände informierte.
Was die linke Journaille tatsächlich von Whistleblowern hält, mit deren Bezeichnung sie sich sonst wohlfeil brüstet, beschreibt aktuell etwa die taz: „Mit Pauschalurteilen über Muslime lässt sich Kasse machen. Das hat auch die Bochumer Streifenpolizistin Tania Kambouri erkannt.“ Nur „angeblich“ hätten junge Muslime keinen Respekt vor Polizisten und dann warf sie dem Bundeskriminalamt (BKA) auch noch vor, Statistiken zur Flüchtlingskriminalität zu fälschen, weil „das ‚politisch nicht gewollt‘ sei, gab sie rechten Verschwörungstheoretikern Futter“. Auch die Steuerung von Beamten durch die Politik, sonst immer einen taz-Aufschrei wert, will man Kambouri nicht abnehmen. Sie habe „ihre ganz eigenen Wahrheiten“.
Gegen Kambouris Erklärung zur Ausbreitung von „No-go-Areas“ in etlichen Städten obrigkeitsschleimt die taz geradezu, dies widerspreche der Aussage von NRW-Innenminister Ralf Jäger: in seinem Land gebe es keine „No-go-Areas“. Die Statistiken des BKA nimmt die taz ebenfalls vollkommen unkritisch und willfährig hin: danach gebe es keinen überproportionalen Anstieg der Kriminalität durch Flüchtlinge. Wer das hinterfragen will, siehe hier. Ein Honigtopf aber ist immer noch übrig in der taz-Redaktionsstube. Den bekommt Thomas de Maizière. Der sagte nämlich, Flüchtlinge würden im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig wie die hiesige Bevölkerung. Das ist doch ein ehrbares, keiner weiteren Recherche bedürftiges Wort!
Für manche Kollegen von Kambouri sei „das Fass jetzt übergelaufen“, so die taz weiter. Zitiert werden alsdann sowohl verschwörungstheoretische Aussagen – „Wer steuert und instrumentalisiert die Kollegin eigentlich die ganze Zeit?“ – als auch die Grundsätze des Berufsbeamtentums – „Wann gibt es eigentlich das erste Disziplinarverfahren“? Bis zum NRW-Innenministerium hat sich die plötzlich dem Berufsbeamtentum verbundene taz mit ihren Verunglimpfungen einer Whistleblowerin durchgefragt. Sicher enttäuschend für die Redaktion: das zuständige Polizeipräsidium in Bochum werde nach einem einvernehmlichen Gespräch mit Kambouri keine dienstlichen Maßnahmen einleiten.
Linke Journaille die nächste: Neues Deutschland titelte fast zeitgleich: „Flüchtlinge: BKA fälscht keine Zahlen zur Kriminalität“ und „Bund Deutscher Kriminalbeamter fordert dienstliche Konsequenzen für Beamtin“. Hier sind es neben Kollegen auch „Kriminalexperten“, die „auf Kambouri nicht gut zu sprechen“ seien. Höchst beeindruckend.
Linke Journaille die übernächste: Amid Rabieh, Kreissprecher der Linken, darf mittels Der Westen Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier zum Handeln aufrufen. Kambouris „kulturrassistische Äußerungen“ seien keine Privatsache.
Das mediale Mobbing gegen Kambouri wird nach dem deutschen Silvesterschock nicht fruchten; mitunter auch, weil sie Beistand durch einen weiteren Whistleblower aus dem Polizeikreis bekommt, der die Vorgänge in Köln nachvollziehbar beschreibt.
Einiges zu erzählen hätten sicher auch Angestellte anderer Berufsgruppen, etwa aus der medizinischen und psychologischen Sparte. Es wäre gerade ein guter Zeitpunkt, einen möglichst ideologiefreien Whistleblowerverein zu gründen.
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