Es folgt hier zuerst eine Doku über das "beängstigende" Mitmach-TV der ARD "Terror - Ihr Urteil"
18.10.2016
Ab heute ist alles verhandelbar
Da also seit dem gestrigen TV-Spektakel das tragende Prinzip unserer Verfassung quasi-offiziell zur Disposition steht, verweise ich an dieser Stelle auf meine Ausführung vom Oktober 2015. Die Empörung des ehemaligen Bundesinnenministers Gerhart Baum hat gut getan angesichts der manipulativen Meinungsmache, die öffentlichkeitswirksam ein Ergebnis präsentiert, das aufgrund unvorbereiteter Bauchentscheidung der Zuschauer zustande kam. Wäre zu Anfang dieser Inszenierung betont worden, dass etwa die NS-Politik auf ähnlich gelagerten Werturteilen beruhte, dann hätte man ein anderes Umfrageergebnis erwarten können. Warum wurde vorher nicht die Tragweite dieser oder jener Entscheidung erörtert? Ist es vielleicht um die Distanzierung von der NS-Ideologie gar nicht so ernsthaft bestellt wie ständig dargestellt?
Nachtrag: Gerhart Baum im Interview mit dem Focus: "Ich habe Herrn Schirach sagen hören, die Menschenwürde dürfe nicht zum Spielball werden. Von wegen, das hat man ja gestern gesehen...ich habe ein Schwarmverhalten wahrgenommen, das mich erschreckt." Und zur Morgenpost: "Die Menschen stimmen im Kern über unser Grundgesetz ab. Doch das steht doch nicht zur beliebigen Disposition...Man kann nicht die fundamentalen Werte des Grundgesetzes einer Abstimmung mit Millionen Menschen unterwerfen...Es wird kein ernsthafter Mensch Artikel 1 ändern wollen." Es bleibt die Frage, ob an den Schalthebeln der Macht ausreichend ernsthafte Menschen sitzen.
Nachtrag vom 19.10.: Deutsche Welle: "Ein beängstigender Fernsehabend."
Und ein Strafrechtler differenziert in der Lippischen Landes-Zeitung: Der Staat darf niemals die Anordnung treffen, Leben gegen Leben abzuwägen. „Nicht entschieden hat das Verfassungsgericht aber, ob ein Pilot, der den Knopf drückt, individuelle Schuld auf sich lädt. Und darum geht es in einem Strafprozess. Dass die ARD und Schirach diesen Unterschied nicht klar gemacht haben, ist ein schwerer Fehler.“ Zuschauer habe man so in die Irre geführt, der Film sei manipulativ. „Die ganze Inszenierung – angefangen vom Bildschnitt – war von vornherein auf einen Freispruch angelegt."
Klare Worte auch bei Legal Tribune Online: Das war Betrug am Zuschauer und ein Affront gegen den Rechtsstaat. Die ARD habe das Problem als ungeklärt und die Menschenwürde als störend präsentiert. „Ein ehemaliger Verteidigungsminister erklärt, dass er Urteilen des BVerfG, die Prinzipien über Menschenleben stellen, nicht folgen kann, sodass die Gewaltenteilung auch nur einzuhalten ist, wenn es opportun erscheint. Einen solchen Abend mit Zwangsgebühren mitfinanziert zu haben – das müsste für eine Verfassungsbeschwerde reichen.“
Nachtrag vom 20.10.: "Die Eurovisionierung des Gerichtsverfahrens", titelt heute LTO.
Ein wichtiges Detail steht auch in der Wochenzeitung: "Wenn der gesunde Menschenverstand mit dem Konkreten argumentiert, ist er schwer zu widerlegen. Deshalb kann der Einzelfall nicht Recht setzen" und es brauche übergeordnete Rechtsprinzipien.
Ein Jurist via Vice: "Ich fühlte mich um 2000 Jahre ins römische Kolosseum zurückgeworfen, wo das Volk den Daumen hebt oder senkt, um über ein Menschenleben zu entscheiden."
Eine YouGov-Umfrage brachte leicht andere Werte als bei der ARD-Abstimmung. Nur eine knappe Mehrheit plädierte für nicht schuldig. „30 Prozent der Befragten können oder wollen sich nicht ent-scheiden und wählen 'Weiß nicht', eine Kategorie, die die ARD ihren Zuschauern nicht bot. Die Antwortmöglichkeit 'Weiß nicht' ist ein wichtiger, wenn auch nicht immer befolgter, Standard in der Umfrageforschung. Die Nicht-Bereitstellung der Kategorie führt zur Verzerrung von Ergebnissen.“
Nachtrag vom 21.10.: Die Welt schreibt: Auch ein alternatives Schuldig-Urteil wurde von der ARD gedreht: „In der Begründung werden dieselben Aspekte genannt, nur anders bewertet…auf einen sogenannten 'Übergesetzlichen Notstand' könne sich der Angeklagte nicht berufen, da dieser gesetzlich nicht geregelt ist und in der Rechtsliteratur sogar bezweifelt wird, ob es ihn überhaupt gibt. ‚Dieses Gericht hält es jedenfalls für falsch, Leben gegen Leben, gleich in welcher Zahl, abzuwägen‘, erläutert der Richter im alternativen Ende.“ Die Menschenwürde „ist und bleibt unser einziger Garant für zivilisiertes Zusammenleben.“ Das alternative Ende
Darüber hinaus wird jetzt Schirachs ARD-Version als "Film mit noch nie da gewesener multimedialer Kampagne" deutschlandweit für Theater und Kinos beworben.
Bei einer infratest-dimap-Umfrage wurde jetzt die „Weiß nicht“-Kategorie berücksichtigt. Der Tagesspiegel besteht darauf: „Dieses ‚Urteil‘ hat Bestand.“ Eine Differenzierung der Parteianhänger ergibt: Für das Freispruchurteil plädierten 82 % Anhänger der AfD, 75 % der Union, 74 % der SPD und FDP, 59 % der Grünen und 51 % der Linken. Ein Leser dazu: "Es geht um das vollkommen unrealistische Strafverfahren, das dem Zuschauer vorgaukelt, als gäbe es nur die Wahl zwischen Mord/Lebenslänglich und Freispruch. Tatsächlich hält das Strafrecht aber viele Nuancen bereit, um auch die speziellen Umstände einer solchen Tat zu berücksichtigen." Doch hier werde suggeriert, man müsse erst das Grundgesetz über den Haufen werfen, um den Piloten vor einer lebenslangen Haftstrafe zu retten.
In Olten/Schweiz wird derweil das Spiel um Leben und Tod weiter getrieben. Im Film "Late Shift" im Youcinema bestimmten die Zuschauer über den Verlauf der Handlung mit. "Erschieße ihn" oder "Lass ihn am Leben?": Die Mehrheit ist für Erschießen. Held Matt ist jetzt tot und der Film abrupt zu Ende. "Klingt zwar brutal, macht im Kino aber Spaß."
Nachtrag vom 22.10.: Wolfgang Kubicki warnt vor einem Willkürstaat: "Die für unseren Rechtsstaat jedoch alles entscheidende Frage ist: Wie weit darf der Rechtsstaat mit seinen Maßnahmen gehen, damit er sich selbst als Rechtsstaat nicht überflüssig macht?...Wenn wir die Grund-Grundlage unserer Verfassung – also 'Die Würde des Menschen ist unantastbar' – Opportunitätserwägungen unterwerfen, machen wir ein Fass auf, das niemals wieder zu schließen ist. Entweder unsere Verfassung gilt jederzeit, oder sie gilt nicht."
Nachtrag vom 23.10.: Die Kritische Aachener Zeitung (Kraz) formulierte bereits am 30.11.2015 nach der Aufführung in Aachen Kritik am "miserablen Theaterstück". "Der ARD ist es mit ihrem Film nun gelungen noch eins drauf zu setzen.“ Die Kraz 2015: „Aus unserer Sicht ist eine rationale Entscheidung in dieser konstruierten Geschichte / Zwickmühle mit so weitreichenden Konsequenzen – es geht immerhin um die Tötung von 164 Passagieren – ohne ausführliche Abwägung und ohne genaue Information der Hintergründe unmöglich.“ Und das Auswahlgremium für den Mülheimer Dramatikerpreis Anfang März: Schirachs Stück ist ein „ziemlich schlechtes Theaterstück“, das auf „öffentliche Erregung“ zielt.
Bundesrichter Thomas Fischer in der Zeit: „Ich meine nämlich, dass Autor, Verlag und Medien ein übles Spiel zu Lasten der Bürger spielen.“ Der Einstieg über Terror verbunden mit imitierter Gerichtsverhandlung und Aufforderung an Zuschauer aktiv als Geschworener durch „Entschei-dung über das Schicksal eines Menschen“ mitzuwirken sei „eine unverschämte, schwer erträgliche Manipulation der Öffentlichkeit im Namen eines quasistaatlichen Anliegens, ohne dem auch nur die mindesten staatlichen Garantien an Wahrhaftigkeit und Unvoreingenommen-heit zugrunde zu legen“. Die Protagonisten, die sich „als überlegene Sachwalter der Interessen des dummen Volks da draußen“ aufspielten, „quatschen herum, weil es ihnen zu schwierig ist, sich mit der Sache zu befassen“ und brechen dieses Niveau wiederum auf jenes Niveau herunter, das ihre Zuschauer angeblich höchstens erreichen können. „Wir sind damit auf dem Level der Schwarzwaldklinik angekommen.“ Die „größtmögliche Verarschung des Publikums“: „Wer Unrecht und Schuld in eins setzt, fällt um Jahrhunderte hinter unsere Rechtskultur zurück und benutzt seine Zuschauer als Gaudi-Gäste für eine Rechtsshow der billigen Sorte.“ Nicht zwingend folgerichtig ist meines Erachtens Fischers Aussage: „Weil das Prinzip der Menschenwürde gilt, so spricht treuherzig Frau Gedeck in die Kamera, deshalb ‚muss Herr Koch die Konsequenzen tragen‘. Meint: Lebenslang in den Knast.“ Das wurde so nicht geäußert; schließlich wird die Dilemmasituation bei der Urteilsfindung berücksichtigt, womit auch ein wesentlich milderes Strafmaß denkbar wird. Der Film lief übrigens nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern auch in Tschechien und der Slowakei, wie der schweizerische Infosperber informiert.
Nachtrag vom 26.10.: Ein Leser von Onetz meint: "Wem das nicht passt, der kann versuchen, das Recht auf Leben und die Menschenwürde aus dem Grundgesetz zu tilgen, wofür ihm Al-Qaida und ISIS ein großes Dankeschön schuldig wären."
Nachtrag vom 27.10.: Auf Strafakte.de heißt es: „Das von Schirach dramatisch gezeichnete Dilemma lässt die strafrechtliche Dogmatik völlig in den Hintergrund rücken und zielt ganz bewusst auf das Moralempfinden und die Empathie des Zuschauers.“ Der Begriff des „übergesetzlichen Notstands“ werde „pseudo-juristisch schmackhaft gemacht“, ohne auf die umstrittenen und engen Voraussetzungen einzugehen. „Dem Zuschauer als juristischem Laien wird somit ein umstrittenes Rechtsinstitut, welches vorliegend auf Utilitarismus in seiner reinsten Form basiert, als möglicher Ausweg aus dem ‚Dilemma‘ angeboten.“
Stephan Schleim bei Telepolis: psychologische, moralphilosophische und rechtswissenschaftliche Hintergründe der Sache. Der erste Teil steht hier, der zweite dort und der dritte hier.
Nachtrag vom 28.10.: Der "Faktencheck" zur Plasberg-Sendung vom 17. Oktober steht hier.
Nachtrag vom 29.10.: Abstimmungsergebnisse der Zuschauer-Schöffen nach Theateraufführungen werden vom Verlag Gustav Kiepenheuer dokumentiert und sind hier online einsehbar.
24.10.2016
Relativierung des Grundgesetzes: Was folgt?
Nach dem TV-Spektakel „Terror – Ihr Urteil“ bleibt festzuhalten: Die unzähligen Menschenrechtsvereine haben bislang nichts zur öffentlich inszenierten Relativierung des Grundgesetzes mit Distanzierung vom Prinzip der Menschenwürde – die Fundamentalnorm im Grundgesetz und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – zu sagen. Das Prinzip scheint dort nur dann zu interessieren, wenn es den politischen Zielen nutzt. Ebenfalls bisher nichts zur viel diskutierten Sache zu hören ist vom stets human präsentierten, von der Printpresse gehätschelten Bundesjustizminister, der von schwierigen respektive verantwortlichen Fragestellungen – etwa zum Fall Al-Bakr – weitestgehend verschont bleibt wie ein rohes Ei. Und die Mainstreammedien sehen wenig Anlass zur kritischen Erörterung der Aussage eines ehemaligen Majors der Luftwaffe in der ARD, man müsse eine Urteilsfindung auch schon mal abweichend von der Verfassung betreiben. Wer ansonsten bei jedem auffindbaren, auch sachfremden Stöckchen gleich „Verfassungsfeinde“ ruft, sollte sich bestenfalls mal ins Kloster zurückziehen und ausgiebig reflektieren.
Zum Zeitpunkt der Debatte
Die Wahl des Zeitpunkts eine Debatte über die Basis unserer Grundregeln zu entfachen kommt jenen zugute, die schon länger damit liebäugeln, die Menschenwürde als störendes Rechtsgut herabzu-stufen oder gleich zu eliminieren; etwa aufgrund der missliebigen, weil anstrengenden Auseinander-setzung mit anderen Sichtweisen zu ethisch relevanten Themen wie Forschungsfreiheit oder Abtreibung. Der Zeitpunkt kommt den Grundgesetzbanausen zugute, weil keine andere glaubhafte Lösung zur Stabilisierung der Zukunft in Sicht ist als die vermeintliche: von den bewährten Werten Abstand zu nehmen. Einer von vielen ähnlichen Leserkommentaren drückt das so aus: „In Zeiten des globalen Terrorismus sollten wir unser Grundgesetz modernisieren. ‚Terroristen haben keine Würde‘, denn sie verletzen die Würde vieler Menschen auf grausamste Art. Sie dürfen und müssen getötet werden, um vielen anderen Menschen das Leben zu retten.“ Wahrscheinlich denkt eine Bevölke-rungsmehrheit in der heutigen politischen Situation – vor ein bis zwei Jahren wäre das vermutlich noch anders gewesen – dasselbe und fühlt sich nun in dieser Ansicht indirekt gestützt: von der ARD.
Bürgern, denen am Bestand des Rechtsstaats und seiner Wertordnung gelegen ist, stehe die Teilnahme an der Verfassungsauslegung durchaus offen, schrieb Andreas Püttmann bereits 1997 in seinem hoch aktuellen und lesenswerten Beitrag unter dem Titel „Die Decke unserer Zivilisation ist dünn“. Die Auslegung „ist weder ein Monopol von Verfassungsrichtern noch von politischen Amtsträgern“. Man könne die Verfassungsauslegung als neuartigen „Volkssport“ ironisieren, komme aber nicht umhin, dies Faktum als demokratische Normalität zu akzeptieren, „mag auch der Staatsrechtslehrer aus Berufshochmut dazu neigen“. Doch freilich bedeute das nicht, alles Recht stünde zur Disposition: „Generell darf eine humane Gesellschaft niemals die Überzeugung aufgeben, dass ein dem Wandel unterworfener Bereich von Wertvorstellungen und Rechtssätzen seine Begrenzung findet in einem menschlicher Verfügung entzogenen Kernbestand ‚ewiger‘ Werte.“
Und hier ist der Dammbruch des TV-Spektakels zu verorten. Warum musste es bei diesem interaktiven Event gleich um eine solch komplexe, auf eine Fundamentalnorm bezogene Fragestellung gehen? Was das Gros der Zuschauer am Ende wohl mitgenommen hat ist der Eindruck, das Menschenwürdeprinzip müsse man nicht wirklich ernst nehmen. Implizit wurde außerdem vermittelt, dass je nach situativer Gegebenheit individuelle Willkür angebrachter sei als geltendes Recht. Der Effekt wird sich voraussichtlich in zunehmender Enthemmung zeigen und eine weitere „Erosion des Rechtsbewusstseins in der Bevölkerung wie in den Amtseliten“ (Püttmann) bewirken. Doch jene Bürger, die nun auf den Durchbruch vermehrter Volksentscheide hoffen, oder Autoren aus dem konservativ-liberalen Spektrum, die den aufgekommenen Tabubruch mittels Begriffen wie „Grundgesetzfetischismus“ oder „Schattenfechterei“ fahrlässig ignorieren, werden sich vielleicht noch wundern, was auf eine weitere Relativierung des Grundgesetzes folgt. Während etwa der Freispruch für Böhmermann für die Einen oder Anderen noch gesinnungskonform erscheinen mag, sieht es bei der Etablierung eines europäischen Bundesstaats vermutlich anders aus. Aus einem Interview (2012) mit dem Staatsrechtler Josef Isensee: „Herr Isensee, ist das mit unserem Grundgesetz irgendwie zu machen?
Isensee: Nein!...Ein europäischer Bundesstaat, in dem die Bundesrepublik Deutschland oder Frank-reich nur noch die Position von Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Sachsen-Anhalt haben, ist nicht möglich, denn souveräne Staatlichkeit gehört zum Kern der Verfassung, der als solcher auch durch den verfassungsändernden Gesetzgeber mit Zweidrittelmehrheit nicht angetastet werden darf.
Müller-Ullrich: Aber wie kommen wir dahin, denn irgendwie muss man ja dieses Volk dann bilden, belehren zunächst mal über seine Rechte, und es dann fragen?
Isensee: Ja. Es gibt die Vorstellung, dass man das Grundgesetz ablöst durch eine neue Verfassung. Ob dieser Weg glatt und legal gangbar ist, ist allerdings ausgesprochen umstritten.
Müller-Ullrich: Wo sehen Sie da den größten Widerstandspunkt?
Isensee: Den Widerstand sehe ich in der Unantastbarkeitsklausel, der sogenannten Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes.“ Der Verfassungskern „kann nur abgelöst und zerstört werden durch eine echte Revolution…Die Revolution kann durchaus durch eine Volksabstimmung stattfinden, die aber nicht mehr in den Bahnen des Grundgesetzes läuft, sondern eben ein echter Neuanfang, und ich glaube nicht, dass die Deutschen dazu bereit sind.“
So viel zur Entfachung einer gelenkten Debatte über den Kernbereich des Grundgesetzes.
Versäumnisse liegen nicht am Grundgesetz
Mit dem Grundgesetz ist man hierzulande sehr gut gefahren bis zu dem Zeitpunkt, als sich in der Antidiskriminierungsszene eine Personalpolitik durchgesetzt hat, die anstatt von empathischen vielmehr karrierebewusste Personen nach oben spülte. Das ursprüngliche Anliegen, die Bevölkerung für mehr Verständnis für Anderslebende zu motivieren, was freilich nur über unaufdringliche Überzeugungsarbeit gelingen kann, ist inzwischen einem restriktiven und behördlich aufgeplusterten Regelwerk sowie einer finanziell hochgerüsteten Propagandamaschinerie – unter Berufung auf das Grundgesetz – gewichen. Dass es gerade Aktivisten aus dem linken Spektrum sind, die dabei mit autoritären Bestrafungsideen und aus dem Mittelalter bekannten Stigmatisierungen aufwarten, erstaunt nicht nur, sondern hat wohl dem Gros der Bevölkerung die Lust genommen, sich mit dem Grundgesetz zu identifizieren. Dass sich die Bürger dann auch noch mittels falscher Studien durch unseriöse „Wissenschaftler“ diskreditieren lassen sollen, setzt der Absurdität die Krone auf. Zur heutigen Situation in der zu Recht verärgerten Bevölkerung bleibt festzustellen: Natürlich gilt die Menschenrechtsidee nicht ausschließlich für Zugewanderte. Ebenso wenig muss eine Bevölkerung massenhafte Sexattacken gegenüber Mädchen und Frauen oder hassmotivierte Gewalt gegen Männer hinnehmen, ohne dass die Täter ausreichend zur Verantwortung gezogen werden. Die schweren Versäumnisse sind jedoch nicht dem Grundgesetz oder der Menschenrechtserklärung anzulasten, sondern den handelnden Personen, die interpretationsoffene Vorlagen für egoistische Interessen instrumentalisieren oder aus Feigheit respektive Opportunismus heraus Täterschutz betreiben.
Was bleibt: eine nackte Menschenrechtspolitik
In Zeiten des ruhelosen Aktionismus ist vergessen worden, dass Gegebenheiten auch einfach so belassen werden können, wie sie sind. Die europäische Idee ist einmal gut gewesen – unter Beibehaltung der Nationen mit ihren Eigenarten hat sie die Menschen zum kulturellen Austausch angeregt. Wenn es hierzulande fremdenfeindliche Menschen gibt, dann sind sie auch dort zu verorten, wo man diesen Kulturaustausch durch Auflösung jeglicher Abgrenzungen obsolet machen will. Die daraus gewachsene Unstimmigkeit in der EU schwächt das Management der Flüchtlingskrise sicherlich enorm. Was aber als Orientierungspunkt und Schadensbegrenzung bleibt, wäre eine nackte Menschenrechtspolitik, die ausgeuferte Zusatzvereinbarungen links liegen lässt und sich auf zwei wesentliche Aspekte beschränkt: Erstens: Jeder hat im Rahmen der rechtsstaatlichen Befugnisse das Recht auf freie Entfaltung. Voraussetzung dafür ist die größtmögliche Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit. Zweitens: Sollten Zugewanderte und Flüchtlinge das nicht respektieren und schwerwiegende Verbrechen begehen, werden sie gemäß Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention zurückgeführt; die gegenwärtige Praxis der hiesigen Rechtsprechung in solchen Fällen wird von einem unabhängigen Fachgremium – gerne auch aus Österreich oder Ungarn – kontrolliert und evaluiert. Es kann kein Fehler sein, sich für historisch gewachsene Werte einzusetzen; auch weil die Ablösung des Verfassungskerns oder die Einführung der Todesstrafe einen destruktiven Lauf der Dinge nicht effektiver aufhielte, als eine konsequente Anwendung bestehender Regeln in ihrem ursprünglichen Sinne. Jedenfalls kann sich niemand darauf berufen das christliche Abendland zu verteidigen, wer das Menschenwürdeprinzip aufgibt und sich damit an Denken und Regelwerk jener Gesellschaften annähert, in denen man Ehrenmord und Frauenverachtung zelebriert.
29.12.2016
Berliner Attentat: Anzeige wegen Unterlassung
Die Vereinigung 17. Juni 1953 in Berlin hat bei der Staatsanwaltschaft in Berlin-Moabit Anzeige gegen Unbekannt wegen strafwürdiger Unterlassung erstattet: „In seiner Anzeige vom Dienstag weist der Vereinsvorstand darauf hin, dass im Nachgang zu diesem verbrecherischen Anschlag öffentlich wurde, dass der Täter den einschlägigen Behörden nicht nur bekannt war. Sie wussten überdies, dass dieser einen Anschlag verüben wollte.“ Die Gefährlichkeit des Täters war lange bekannt. „Mithin haben sich diverse, derzeit unbekannte Personen der Unterlassung schuldig gemacht und haben insofern den Tod von Menschen in Kauf genommen.“ Es handle sich um ein echtes Unterlassungsdelikt. Der Verein fordert die Staatsanwaltschaft auf, „vorurteilsfrei in alle Richtungen zu ermitteln. Falls den Ermittlungen das Weisungsrecht möglicher politisch Verantwortlicher ggüb. der Staatsanwaltschaft entgegenstehen sollte, wäre nach Meinung des Vereins zu prüfen, inwieweit eine übergeordnete Dienststelle (z.B. Generalstaatsanwalt oder Bundesanwaltschaft) aufgefordert wird, die notwendige Ermittlungen an sich zu ziehen.“
Nachtrag vom 29.1.: "Die Staatsanwaltschaft Berlin hat heute (27.1.) der Vereinigung 17. Juni mitgeteilt, dass sie 'keine konkreten Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat' im Zusammenhang mit dem Terror-Anschlag vom 19.12.2016 erkennen könne (234 UJs 5/17 – 17.01.2017). Die Strafbehörde wies damit eine Anzeige des Vereins zurück, die gegen 'Unbekannt' wegen des Straftatbestandes einer 'Unterlassung' erstattet worden war." Der Vereinsvorstand ist fassungslos und prüft eine Beschwerde beim Generalstaatsanwalt.
Nachtrag vom 5.2.: Die Vereinigung 17. Juni 1953 hat beim Generalstaatsanwalt in Berlin Beschwerde gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft vom 17.1.2017 eingelegt und beantragt, entsprechende Ermittlungen aufzunehmen.
Nachtrag vom 1.3.: Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Beschwerde abgewiesen. Der Verein dazu: "Wenn hier unserer Strafanzeige keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat entnommen werden konnten, sieht das aus unserer Sicht eher nach einer tatsächlichen zusätzlichen Vernebelung von Verantwortlichkeiten unter Anwendung formaler Juristerei aus als nach einem Willen, alle Möglichkeiten der Aufklärung von Vorgängen zu prüfen, die einen derartigen furchtbaren Anschlag erst ermöglicht haben."
Nachtrag vom 26.11.2017: Ein Jahr nach dem Anschlag: Opfer klagen die Behörden an.
Siehe außerdem: Angehörige der Breitscheidplatz-Opfer schreiben Wutbrief an Merkel.
23.12.2016
Falsche Angaben? Macht nichts.
Die Justiz zeigt sich mal wieder von ihrer pädagogisch wertvollsten Seite: Der Bundesgerichtshof hat gerade beschieden: „Eine Strafbarkeit nach § 42 StAG ist nicht gegeben, wenn im Einbürgerungs-verfahren unrichtige oder unvollständige Angaben über inländische Strafverurteilungen gemacht werden, die gemäß § 12 a Abs. 1 S. 1 und S. 2 StAG bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben.“
Nachtrag: In Bezug auf Opfer von Straftaten zeigt sich die Justiz weniger milde: Laut Spiegel Online werden Opfer und Angehörige des Anschlags von Berlin nicht entschädigt.
Nachtrag 2018: "Für die Hinterbliebenen und weiteren Opfer des Anschlags zahlt der Bund 2,7 Millionen Euro - dabei soll es aber nicht bleiben..." Außerdem: "Zu früh verschickte Krankenhausrechnungen, hastig organisierte Trauerfeiern, mangelhafte Kommunikation: Gut eineinhalb Jahre nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz übt der Berliner Opferbeauftragte harte Kritik an der Politik." Und: " Angehörige von Amri-Opfern beklagen Schikane bei Renten"
8.12.2016
Strafmildernde Umstände
Die Ausländereigenschaft rechtfertigt für sich genommen keine Strafmilderung, besondere Umstände tun es aber schon; wie Sprachprobleme, abweichende Lebensbedingungen oder erschwerte familiäre Kontakte. Immerhin kann sich nicht darauf berufen, wer diese Umstände absichtlich herbeiführt: Das Oberlandesgericht Hamm wies deshalb die Revision eines Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Essen zurück. Der Angeklagte: seine Ausländereigenschaft sei nicht strafmildernd berücksichtigt worden. Er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und daher besonders haftempfind-lich. Da er im Vorfeld einen angebotenen Deutschkurs nur einige Male besuchte und diesen dann abbrach mit der Begründung, im wöchentlichen Umfang von nur 1,5 Stunden könne man die deutsche Sprache nicht lernen, wurde das Sprachproblem im Urteilsspruch nicht berücksichtigt.
26.11.2016
Ergebnisse der Justizministerkonferenz
LTO fasst einige Ergebnisse der „Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder“ zusammen: Wenn weltweit tätige Plattformen (willkürlich definierte) Hasskommentare nicht binnen 24 Stunden löschen, dann seien „bis zu eine Million Euro Bußgeld denkbar“. Beschlüsse zu gesetzlichen Maßnahmen wären wegen großer politischer Übereinstimmung hierzu auch noch im Bundestagswahlkampf 2017 vorstellbar. Außerdem sollen Kinderrechte mit in die Verfassung. Um die Kinderehe ist es trotz verschiedentlicher Ankündigungen bei der Konferenz nicht gegangen. Befasst wurde sich außerdem mit Staatsschutzsachen, insbesondere bei gegen Jugendliche und Heranwachsende geführten Verfahren: „Vor dem Hintergrund der Entwicklung des internationalen Terrorismus und der damit in Zukunft auch zu erwartenden Zunahme von Staatsschutzverfahren gegen diese Altersgruppe von Beschuldigten haben sie erörtert, ob die derzeitigen Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit eine ausreichend effektive Verfolgung und Verurteilung der im Katalog des § 74a Abs. 1 GVG genannten Straftaten im Falle einer Tatbegehung durch Jugendliche und Heranwachsende gewährleisten.“ Relevante Prüfungen sollen auf Bundesebene erfolgen.
25.11.2016
Nur verliebte Richter sind human
Ein bundesweit tätiger Rechtsanwalt für Asylrecht schreibt im Dezember 2011 auf seiner Website: „Oft denke ich mir, ich wünschte dem einzelnen Beamten oder Richter, der über solche Visumver-fahren entscheidet, dass er (sie) sich auch mal selbst in jemanden verliebt, der nicht aus der EU stammt.“ Er wünsche sich zum frohen Fest, dass diese Richter von Kollegen den gleichen strengen Maßstab auferlegt bekommt wie in anderen Fällen. Würde er sich dann nicht wünschen, dass man in seinem Fall mal eine Ausnahme macht? „Vermutlich gelingt es ihm auch, denn er braucht ja nur auf dem ‚kleinen Dienstweg‘ ein Telefonat zu führen und auf den § 16 Abs. 5 AufenthG und ein entsprechendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen, wonach in Ausnahmefällen vom Sprachtest abgesehen und ein Visum zur Durchführung eines Sprachkurses in Deutschland erteilt werden kann. Ich wette, in den meisten Fällen benötigt ein solch verliebter Beamter oder Richter daraufhin keinen Anwalt, um seine Nicht-EU-Verlobte nach Deutschland zu holen.“ Aha!
24.11.2016
Resozialisierung?
Das Bemühen der Stuttgarter Nachrichten um Differenzierung nach der Kritik von Rainer Wendt an der Justiz ist sicherlich redlich. Es wird dabei dennoch vernachlässigt, dass sich die Lage hierzulande geändert hat. Wolfgang Molitor schreibt: „Denn wehrhafte Rechtsstaatlichkeit spiegelt sich nicht in drakonischen Strafen, sondern auch im ehrlichen Bemühen um Resozialisierung.“ In den westlichen Demokratien hat man sich diesen zwischenmenschlichen Luxus über lange Zeit hinweg erkämpft. In diesen Zeiten wird man aber irgendwann nicht mehr um die Frage herum kommen, wie jemand resozialisiert werden soll, der hier niemals sozialisiert gewesen und dazu auch nicht willens ist.
22.11.2016
Kurdische Gemeinde: „Kein kultureller Rabatt im Strafmaß“
Der grauenvollen Tat in Hameln folgte die Meldung, es handle sich bei Täter und Opfer um deutsche Staatsangehörige kurdischer Abstammung aus verschiedenen Großfamilien. Die Kurdische Gemeinde widersprach dieser Darstellung: Sie gehörten zu einem arabischen Clan aus dem Libanon und der Türkei, der unter dem Namen Mhallami-Kurden auftritt, aber kein Teil der kurdischen Gemeinschaft in Deutschland sei, so die Welt. „Unabhängig davon dürfe eine derartige Tat ‚nicht mit kulturellem Rabatt im Strafmaß gemildert werden‘, so Mehmet Tanriverdi. Wer keine Achtung vor seinen Mitmenschen und dem Grundgesetz hat, hat auch keinen Platz in der Mitte der Gesellschaft. Behörden müssten energischer gegen derartige Clans vorgehen.“ Über das „gewaltige Problem“ der Clans berichtete Focus bereits im März 2015: „Jedem ist klar, sagt der Kriminalbeamte, wenn sie das Problem der kriminellen Großfamilien angehen wollen, muss das mit massiver Manpower gesche-hen. Es wären sehr lange und aufwändige Ermittlungen notwendig – mit absolut ungewissem Erfolg. Deshalb hätten die Verantwortlichen unter Umständen gar kein Interesse an Aufklärungsarbeit."
Nachtrag vom 23.11.: Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt: Täter hat lange Gewaltkarriere hinter sich, war aber nicht im Gefängnis. "Es wird sich ein Richter finden, der ihm auch jetzt wieder eine positive Sozialprognose geben wird." Ausbildung und Berufung von Richtern solle überprüft werden. Der Richterbund wirft Wendt darauf hin Populismus vor und beweist sogleich eigenen dümmlichsten Populismus: Wendt sei "Donald Trump der deutschen Innenpolitik" im "postfaktischen" Bereich.
Nachtrag vom 31.5.2017: Täter muss 14 Jahre in Haft. "Weil Nurettin B. sich aber schon kurz nach der Tat bei der Polizei stellte, zu Prozessbeginn ein Geständnis ablegte und 137.000 Euro Schmer-zensgeld zahlen will, sei trotz der Brutalität des Verbrechens von einer lebenslangen Haftstrafe abzusehen." Meldung Ende November 2017: "Von Reue keine Spur: Nurettin B. will neuen Prozess."
Nachtrag vom Mai 2020: "Nurretin B. band seine Frau mit einem Seil ans Auto und schleifte sie mit hohem Tempo über die Straßen von Hameln. Kader K. (31) durchlitt am 20. November 2016 Höllen-Qualen... Knapp drei Jahre nach der Verurteilung ihres Ex-Mannes wegen Mordversuchs wartet das Gewaltopfer Kader K. aus Hameln immer noch auf das Schmerzensgeld." Die Verzögerung beruhe allerdings auf Streit um eine gutachterliche Festsetzung im Rahmen einer Zwangsversteigerung.
14.10.2016
Verantwortung im Suizidfall Al-Bakr
Das mediale Eindreschen auf die sächsischen Justizbehörden lenkt vom eigentlichen Träger der Verantwortung ab und es tun sich mal wieder sonderbare Widersprüche auf: Elmar Theveßen fragte im heute journal am 13. Oktober, warum der Generalbundesanwalt den Fall nicht an sich gezogen habe. In einer Mitteilung des Generalbundesanwalts liest man hingegen: „Die Bundesanwaltschaft hat gestern (9. Oktober 2016 – Anm.: also am Sonntag) die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dresden in einem Verfahren wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefähr-denden Gewalttat wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernommen.“ Nun steht der Generalbundesanwalt unter Dienstaufsicht des Bundesministers der Justiz. „Dieser trägt innerhalb der Bundesregierung und gegenüber dem Parlament die politische Verantwortung für die Tätigkeit der Behörde des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof.“ Das ist eigentlich eindeutig.
Nachtrag: Die Unionsfraktion bringt Fragen an den Bundesjustizminister ins Spiel: Warum war Al-Bakr noch in Leipzig untergebracht und nicht in einem Hochsicherheitsgefängnis? Schließlich habe der Generalbundesanwalt das Verfahren übernommen. "In diesem Zusammenhang wird auch der Bundesjustizminister (Anm.: seinerzeit Heiko Maas) seinen Beitrag zur Aufklärung zu leisten haben", so Unions-Rechtsexpertin Elisabeth Winkelmeier-Becker. Quelle: RP Online
Nachtrag vom 16.10.: Auch CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann fordert nun, Kritik am Fall an Heiko Maas in Berlin zur richten: „Schließlich ist der Bundesjustizminister (…) der Dienstvorgesetzte des Generalbundesanwalts, der bei dieser Form von Staatsschutzdelikten eine Sonderzuständigkeit hat.“ Warum erteilte er dem Generalbundesanwalt nicht die Weisung, alle Veranlassungen im Zusammenhang mit Überstellung und Inhaftierung zu übernehmen?
Nachtrag vom 17.10.: Eine gute Frage auf dem Bundesjustizportal: "Seit wann war das Bundesjustizministerium über die Vorgänge informiert und was hat es veranlasst?"
Nachtrag vom 19.10.: Zur Stellungnahme des Generalbundesanwalts: siehe hier.
Nachtrag 2018: "Der unbekannte Terrorist – Jaber Albakr und das Versagen des Staates" Doku
7.10.2016
Willkürlicher Vorgang im Bundesjustizministerium
Nur wenige Minuten vor dem Auftritt des Bundesjustizministers Heiko Maas bei Maybrit Illner brachte Kontraste einen Beitrag zum Geheimdienstfall netzpolitik.org, der den Minister in Bedrängnis bringt. Ein nachträgliches differenziertes Rechtsgutachten des geschassten Jan-Hendrik Dietrich bestätigt den Vorwurf des Landesverrats gegenüber netzpolitik.org. Die Blogger stellten vor einem Jahr Pläne zur Cyberabwehr des Bundesamts für Verfassungsschutz ins Netz. Nach massiven Protesten gegen die Strafermittlungen im Fall, insbesondere von Journalisten, habe das Bundesjustiz-ministerium die Sache geblockt. Gegen diese „politische Einflussnahme“ protestierte der damalige Generalbundesanwalt Harald Range öffentlich. Maas versetzte ihn dann in den vorzeitigen Ruhestand. Ein flugs vom Bundesjustizministerium erstelltes hausinternes Gegengutachten führte zur Einstellung des Verfahrens. Bemerkenswert: Das Ministerium teilte dem ARD-Magazin auf Anfrage mit, das hausinterne Gutachten sei „VS-vertraulich“ und nichts für die Öffentlichkeit. Erst nach Einschaltung des Gerichts erhielt es Kontraste. Die Feststellung der Redakteure: Der weit überwiegende Teil ist überhaupt keine Verschlusssache (Anm.: eine glatte Lüge also), das Papier sei dünn und fragwürdig. So viel zu den Abwegen des Justizministers, der sich bei Illner ein weiteres Mal als moralisch tadelloser Demokrat präsentieren durfte - schließlich hat er aufgrund seiner Parteinahme im Fall in der Journalistenszene einen dicken Bonus. Das Video der Sendung steht hier im Netz und die aktuelle Sicht der Dinge von netzpolitik.org kann dort gelesen werden.
24.9.2016
Bundesjustiz: Kontra aus Bayern
Der bayrische Justizminister Winfried Bausback gibt Bundesjustizminister Heiko Maas gerade zum wiederholten Male deutliches Kontra. Zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung sagt er, der Bundesjustizminister erschwere diese unnötig: weil die Gerichte laut dessen Gesetzentwurf vor Einziehung des Vermögens die sichere Überzeugung der illegalen Herkunft gewinnen müssten. Bausback: „Das geht völlig an der Realität vorbei und spielt nur den Terroristen in die Hände. Es ist doch allgemein bekannt, dass gerade Terroristen und Täter aus dem Bereich Organisierter Kriminalität äußerst erfinderisch sind, wenn es darum geht, die deliktische Herkunft von Vermögen zu verschleiern. Wie sollen sich unsere Gerichte da eine ‚sichere Überzeugung‘ bilden können?“, wird er vom Bundesjustizportal zitiert. Der Deutsche Richterbund dokumentierte übrigens bereits im Juni in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf die offenbar dilettantische und wirklichkeitsfremde Ausarbeitung der Sache. Nachtrag: Eine zweite Stellungnahme des Richterbundes ist dort zu finden. Auch in punkto Reform des Stalking-Paragrafens habe der CSU-Politiker „für seinen Berliner Kollegen Heiko Maas wenig Verständnis“, schreibt der Bayernkurier: „Der Bundesjustizminister hat hier leider schon viel zu viel Zeit vertan“, so Bausback. Und zur Rehabilitierung von nach altem Recht verurteilten Homosexuellen sagte er der FAZ: Die auch nach 1945 fortgesetzte Kriminalisierung Homosexueller verstoße zwar „aus heutiger Sicht klar gegen das freiheitliche Menschenbild des Grundgesetzes“. Der Grundsatz der Gewaltenteilung müsse aber gewahrt werden. Eine gesetzliche Regelung dürfe keine Zweifel aufkommen lassen, dass die Aufhebung dieser – damals in rechtsstaatlichen Verfahren zustande gekommenen – Urteile der absolute Ausnahmefall ist. Sonst schaffe man einen Präzedenzfall, „der in politischen Krisenzeiten bei geänderten politischen Mehrheiten dazu missbraucht werden könnte, willkürlich zunächst missliebige Straftatbestände und sodann die auf diesen beruhenden Strafurteile aufzuheben“. Die von Heiko Maas vorgelegten Eckpunkte würden dieser Anforderung nicht gerecht. In Bezug auf Kinderehen ist der bayrische Justizminister zu „entschiedenem Widerstand“ bereit, erfährt man vom Bayernkurier. Mitte Juni forderte er per Brief an das Bundesjustizministerium die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema; im Gros der Medien wurde später der Eindruck vermittelt, dies sei eine Initiative von Heiko Maas gewesen. Die Arbeitsgruppe tagte am 5. September das erste Mal. Zumindest scheint hier weitgehend inhaltliche Einigung zu bestehen, Kinderehen nicht zu tolerieren. Das Argument, dass bereits verheiratete Kinder bei Ehe-Annullierung die oftmals einzige Bezugsperson verlieren, ist übrigens nicht völlig haltlos. Wer bisher ambivalent zur Sache eingestellt ist, kann sich diesen exemplarischen Fall in Erinnerung rufen. Bei ausreichend politischem Engage-ment ließe sich für „geschiedene“ Mädchen eine Lösung finden. Terre des Femmes etwa schlägt vor, ihnen einen unabhängigen Vormund zur Seite zu stellen. Außerdem solle eine Informationspflicht der Jugendämter und rechtzeitige Einschaltung der Familiengerichte sichergestellt sein.
Nachtrag vom 10.10.: Bausback zur neuen Wohnimmobilienkreditrichtlinie von Maas: "Der Schutz von Bürgern vor Überschuldung ist zwar richtig und wichtig: Das darf allerdings nicht dazu führen, dass bestimmte Verbrauchergruppen, etwa junge Familien und Senioren, völlig grundlos keinen Kredit mehr bekommen, wenn sie ein Eigenheim kaufen oder umbauen wollen." Hier müsse der Bundesjustizminister dringend nachbessern.
Nachtrag vom Februar 2019: "Als Ministerpräsident Markus Söder nach der Landtagswahl 2018 sein Kabinett zusammenzimmerte, musste Winfried Bausback weichen. Aus Gründen des Regionalproporzes – in der CSU eine hochwichtige Sache." Bausback galt als "Idealbesetzung". "Amtsnachfolger und Bayerns neuer Justizminister Georg Eisenreich wurde bereits am 12. November 2018 in das Kabinett durch Ministerpräsident Dr. Markus Söder berufen."
27.5.2016
Man scheint nervös zu werden
Sofern man der Berichterstattung der Mitteldeutschen Zeitung trauen will, ging es dem im Fall der ermordeten Studentin aus China zuständigen Oberstaatsanwalt bei einer Pressekonferenz erst mal um eine „verunreinigte Behörden-Toilette“ und dem „Respekt vor dem Anderen“, bevor er auf Yangjie Li zu sprechen kam. Geständnisse der beiden Tatverdächtigen fehlen noch, in vier Wochen folgt der erste Haftprüfungstermin. „Mittlerweile gibt es sogar eine Anzeige der Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt: wegen Geheimnisverrats.“ Es geht um eine inoffizielle Mitteilung über die Identifizie-rung einer fremden DNA an der Leiche. Ein Polizeisprecher habe gesagt: „Adressat der Anzeige ist kein einzelner Mitarbeiter, sondern die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost insgesamt.“ Über die entsetzten Eltern bezüglich Verunglimpfungen über ihre Tochter und dem im Ausland erschütterten Glauben an das deutsche Rechtssystem berichtet die Mitteldeutsche an dieser Stelle. Die Behörden stehen unter Druck, einen Täter zu präsentieren. Die chinesische Botschaft forderte die lokale Polizei auf konkret zu handeln und die Sicherheit chinesischer Studenten zu garantieren.
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