8.12.2017

Medien und Politik

 

Ein Hinweis auf die Website von Hans Mathias Kepplinger, Professor für  Kommunikations-forschung an der Uni Mainz, sollte auch mal nicht fehlen. Er forscht zu gesellschaftlichen Weichenstellungen in Wechselwirkung mit dem Mediensystem und besticht regelmäßig mit unaufgeregt sachlicher Darstellung seiner Ergebnisse. Lesenswert ist etwa seine Befragung „Rivalität um Macht und Moral“ zwischen Bundestagsabgeordneten und Hauptstadtjournalisten: „Besonders bemerkenswert ist die Forderung der Journalisten nach weiterer Machtverlagerung zu ihren Gunsten.“ Es bestehe die Tendenz, dass sich das Machtgefälle zwischen Medien und Politik zukünftig weiter zugunsten der Medien verschiebt. Seit Sommer ist auch „Totschweigen und Skandalisieren - Was Journalisten über ihre eigenen Fehler denken“ auf dem Markt.


3.10.2017

Die Aggression der Deutungsverlierer

 

Ein Nebeneffekt der Bundestagswahl sind fallende Masken. Entsprechendes war vorgestern bei Anne Will zu sehen, ab Minute 42:35. Die FAZ schreibt dazu: Heribert Prantl sprach den Ostdeutschen nicht nur Demokratiefähigkeit ab. „So nannte der Rechtsstaatsexperte die Abschiebepraxis der bayerischen Staatsregierung nach Afghanistan ‚eine Sauerei‘. Das kann er politisch so sehen: Wir sind ein freies Land. Nur ist es eine rechtspolitische Unverschämtheit, wenn sich Prantl dabei auf den Rechtsstaat beruft. Die Gerichte hatten diese Abschiebungen für rechtlich zulässig erklärt, ansonsten wären sie nicht vollzogen worden. Oder will Prantl der Bundesregierung ernsthaft den Vollzug rechtswidriger Handlungen unterstellen?“ Beim Tagesspiegel hingegen, wo man sich immer öfter auf ähnlich primitivem Niveau wie die Süddeutsche bewegt, folgt diese peinliche Lobhudelei bezüglich des gesinnungsgleichen Kollegen: „Da platzte Heribert Prantl der Kragen, ein echtes Sturmgeschütz der Demokratie und des Rechtsstaates…Gerechter Zorn, starker Talkshow-Augenblick, weil Prantls emotionaler Ausbruch Söder als sinistren Ego-Shooter entlarvte.“ Was für ein kruder Schmarrn. Den schlechten Verlierern der bisherigen Deutungsmacht ist wohl bestenfalls psychologische Unterstützung zur Seite zu stellen, damit sie das Ergebnis der Bundestagswahl verarbeiten können und die Allgemeinheit nicht weiter belästigen. Helfen könnten ansonsten auch umsichtige Analysen der Wahl wie diese von Roger Köppel oder jene von Johannes Röser. Leserkommentare zur Causa: „Leider verkörpert Heribert Prantl mit seiner spürbaren Aggressivität anschaulich die Entwicklung der deutschen Demokratie hin zu einer exklusiven, eng gesteckten Meinungsgemeinschaft, deren Vertreter sich am liebsten selbst zuhören und abweichende Auffassungen bestrafen möchten.“ Ein anderer, ironisch: „Mit Ausnahme von Herrn Söder war dies eine weitere illustre Versammlung verspäteter AfD-Wahlkampfhelfer, wie immer einschließlich der Moderatorin.“ 


19.9.2017

Wehe, du hast Angst?

 

Die Beschwörung der Politiker „Wir haben keine Angst“ klinge ja fast wie ein Befehl, leitete Peter Hahne seine gestrige Sendung „Die Macht der Angst“ ein. „Das ist für Psychiater einfach dummes Zeug“, stellte sogleich Christian Dogs klar. Angst sei ein gesunder Teil von uns und bewahre vor Dummheit. Daran änderten auch beschwichtigende Worthülsen nichts. Im Übrigen seien die Befürchtungen der Menschen sehr gerechtfertigt. Es käme mit etlichen der jungen Zugewanderten auch „ein irres Gewaltpotenzial rüber“: Menschen  mit völlig anderen Wertvorstellungen, die in Krisen aufwuchsen, gelernt haben zu kämpfen und gar nicht wissen, wie Harmonie geht. „Das umzutrainieren wäre eine Irrsinnsaufgabe“, so der Psychiater, der sich klar vom rechten Rand abge-grenzt wissen will. Ulrich Reitz ergänzte: „Die Politik selber hat ja Angst“, mit Hinblick auf verübte Terroranschläge. Angst sogar als größter Treiber in der Politik und Merkel als Profiteurin der Angstpolitik, bei der auch mit Vortäuschung falscher Tatsachen und falscher Lösungskompetenzen operiert wird. Angesichts absehbarer, nicht thematisierter Folgeschäden unkontrollierter Zuwande-rung fühle sich der Publizist nicht wohl dabei, wenn sich Journalismus heute primär über Haltung anstatt über Fakten definiert. Da, „wo eine politische Industrie unterwegs ist, um harte Fakten auszublenden“,  brauche es vor allem Aufklärungsarbeit – die originäre Aufgabe des Journalismus. 


27.7.2017

Leitmedien in der Flüchtlingspolitik 

 

Die Studie der Otto Brenner Stiftung „Die ‚Flüchtlingskrise‘ in den Medien“ verdient noch eine konkrete Betrachtung. Rund 35.000 Texte aus 2015 und 2016 wurden erfasst und Inhaltsanalysen durchgeführt. Eines der Studienergebnisse: Der „virtuelle Adressat“ der Kommentare in Leitmedien war nicht der Leser, sondern die Politik. „Die Argumente erörtern meist die von Politikern aufgeworfenen Vorschläge in operativer Hinsicht. Bis zum Spätherbst 2015 greift kaum ein Kommentar die Sorgen, Ängste und auch Widerstände eines wachsenden Teils der Bevölkerung auf. Wenn doch, dann in belehrendem oder (gegenüber ostdeutschen Regionen) auch verächtlichem Ton. Kaum ein Kommentar während der sogenannten Hochphase (August und September) versuchte eine Differenzierung zwischen Rechtsradikalen, politisch Verunsicherten und besorgten, sich ausgegrenzt fühlenden Bürgern.“ Die Kommentare dienten damit nicht dem Ziel verschiedene Haltungen zu erörtern, sondern eigener Überzeugung oder regierungspolitischer Sicht Nachdruck zu verleihen. „Der demokratietheoretisch geforderte verständigungsorientierte Diskurs war im redaktionellen Teil der drei Leitmedien (Welt, Süddeutsche, FAZ) im Verlauf des Jahres 2015 für uns nicht auffindbar.“ Die Redaktionen waren auf die politische Elite „in Form rhetorischer Sprechakte“ fixiert. 

 

Zum „deutschen Wunder Willkommenskultur“ sagt die Studie: „Dieser sich selbst begründende Euphemismus wurde in den Tageszeitungsberichten zu einer Art Zauberwort verklärt, mit dem freiwillig von den Bürgern zu erbringende Samariterdienste moralisch eingefordert werden konnten …Wer Skepsis anmeldete, rückte in den Verdacht der Fremdenfeindlichkeit.“ Um zu beantworten, wie es dazu kam, dass dieses Narrativ eine solche auf Konformität gerichtete Meinungsmacht entfalten konnte, wurden 17.000 Texte aus der Lokal- und Regionalpresse analysiert. Die Genese zeigte, dass die Lokalpresse einer propagierten Zwecksetzung folgte und „die lokale Tagespresse die Nähe der Leitmedien zur politischen Elite mitmachte“. 2015 erschienen rund doppelt so viele monologisch berichtende Texte wie dialogische oder diskursive. „Auch dies ist ein Indiz für die monodirektionale Transferleistung (‚Einbahnstraße‘) des Lokal- und Regionaljournalismus. Von diskursiver Themenbearbeitung kann für das Jahr 2015 nicht die Rede sein.“ Das Narrativ Willkommenskultur vermittelte die Tagespresse vielmehr als moralisch intonierte Verpflichtungs-norm „top-down“. Während über 80 Prozent Willkommenskultur im positiven Sinne vermittelte, kamen Skeptiker nur selten zu Wort. „Wenn vereinzelt kritische Gegenstimmen wiedergegeben wurden, dann waren es Statements wiederum aus der Politik, diesmal von Rechtskonservativen oder Ultrarechten.“ Bei der Vermittlung des Flüchtlingsthemas insgesamt stellt die Studie einen hohen Gleichklang zwischen Bundespolitikern, Leitmedien und lokaler Presse in Bezug auf die politische Linie der Kanzlerin fest. Abweichende Positionen hörte man erst nach der Kölner Silvesternacht. 

 

Informationsjournalismus betrieben die Leitmedien lediglich im Sinne einer Politik-PR. Diese kollidiert allerdings mit dem normativen Anspruch des diskursiven Journalismus sowie mit den Professionsregeln des Qualitätsjournalismus. „Gravierende Dysfunktionen“ wiesen die  Mainstream-medien in Bezug auf den Anspruch auf, politisches Handeln aus unabhängiger Sicht kritisch zu beobachten und die verschiedenen am Thema beteiligten Gruppen in die Berichterstattung einzubeziehen. „Diese Störungen haben sich so tief eingefressen, dass sie von Journalisten oder einzelnen Redaktionen vermutlich für normal gehalten, das heißt nicht als solche wahrgenommen oder gar problematisiert werden. Dies könnte erklären, warum die meisten tagesaktuellen Medien bis zur Silvesternacht 2015/16 nicht erkannt hatten, dass sich durch die Gesellschaft ein mentaler Graben zieht.“ These der Studie: Die Dysfunktionen der Leitmedien haben diesen desintegrativen Prozess massiv gefördert. Im Laufe des Jahres 2016 waren dann diverse Zeitungen bemüht, mit Eigen-leistungen nachzuholen, „was sie während der langen Willkommenskultur-Euphorie-Ära unterlassen hatten: Reden der Politiker mit Skepsis begegnen, bei Wortführern kritisch nachfragen, Darstellung der Behörden genauer auf den Grund gehen, abweichende Positionen thematisieren, Betroffenen-Erzählungen hinterfragen, die Rechthaberei beenden, eigene Fehldeutungen eingestehen.“ Eine weitere Studie zu den Erzeugnissen der Leitmedien im Jahr 2017 wäre sicher ähnlich interessant.

 

Nachtrag vom 15.9.: Siehe dazu auch den Gastbeitrag von Keplinger/Maurer bei der FAZ.


14.7.2017

Erkenntnis des Tages

 

„In vielen Redaktionsstuben herrscht eine verbreitete Schreib- und Sprachstörung bei den Adjek-tiven links, linksradikal oder linksextrem.“ Selbst ZDF „heute“ schaffte es nicht, die „linke Gewaltszene“ zu erwähnen, berichtet der Focus ausführlich zur „höchst ungerechten Aufteilung von Bundesgeldern“ für Prävention von Rechts- und Linksextremismus. 


10.6.2017

Über Gesinnungskapseln

 

Wer am Wochenende zwei Stunden Zeit hat, der kann sich das erfrischend kontroverse „Demokratie-Forum Hambacher Schloss“ zum Thema „Filter-Blasen und Gesinnungs-Kapseln - Welche Medien bieten Orientierung im ‚postfaktischen‘ Dschungel?“ ansehen. Das hochmütige Statement der Landessenderdirektorin SWR Rheinland-Pfalz ganz am Anfang – wer den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht will, der wolle keine Qualität, keine Glaubwürdigkeit und keine freie Meinungsbildung – kann gerne übersprungen werden. Ganz anders der Intendant des Hessischen Rundfunks Manfred Krupp, der für ein „Bündnis der Relevanz“ wirbt, aus einer schlechten Fehlerkultur Konsequenzen zieht und außerdem mit dem Titel der Veranstaltung Probleme hat: „Ich bin jetzt 61 Jahre alt und ich habe noch nie im faktischen Zeitalter gelebt.“ Man dürfe es sich nicht so einfach machen, politische Entwicklungen, die einem nicht gefallen, nur auf die Phänomene Social Bots und Fake News herunter zu brechen. Internetfreundlich ist er auch noch: Früher hätten politische Magazine polarisiert und so zur Meinungsbildung beigetragen, heute könnten das Soziale Netzwerke zehnmal besser als politische Magazine. Interessante Äußerungen auch vom Publizisten Ulrich Teusch, der die kritische Öffentlichkeit und das Internet für eine positive Entwicklung hält und einige Vorwürfe gegen Mainstreammedien sowie öffentlich-rechtlichen Rundfunk teilt. Denn im Moment sei feststellbar, dass dort fast überall die gleichen Lücken – Unterdrückung von Nachrichten – auftauchten; man könne dies schon Homogenisierung nennen. Und an späterer Stelle: Die frappierende Einseitigkeit bis hin zu Dogmatismus und fingierten Meldungen bei der Nachrichtenwiedergabe gefährde inzwischen sogar demokratische Prozesse; in einem Ausmaß, wie man es seit dem 1. Weltkrieg nicht mehr in den Medien gehabt hätte. Über abweichende Positionen zum Thema Syrien etwa, die sehr viele vertreten, werde vor allem in englischsprachigen Medien so gut wie gar nicht berichtet. Diese Berichterstattung zu Syrien sei auch „kein Fehler, sondern Absicht“ (ab 1:10:00 Minuten im Video). Da heutzutage nichts unentdeckt bleibt, könnten Medien nur Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie fundamental selbstkritisch werden. Im Übrigen sei es nicht Aufgabe von Journalisten, einen Donald Trump oder den Aufstieg der AfD zu verhindern. Journalisten, die das wollen, sollten in die Politik gehen.

 

Nachtrag vom 16.9.2018: Die Aufzeichnung der Sendung hat der SWR aus dem Netz genommen.


28.4.2017

Hölle-Preis für die Süddeutsche

 

Hier wird deutlich, wie Chefredakteure, die stets das moralische Fähnchen hissen, tatsächlich ticken: "Die Süddeutsche Zeitung sieht sich selbst als Kämpfer für Schwache und Entrechtete. Doch diesmal entrechtet sie selbst - ihre Freien Autoren", so Deutschlandfunk. Worum es geht: Texte von freien Autoren werden an eine Schweizer Zeitung weitergegeben - diese sind weder informiert noch entlohnt. Und wer nachfragt, bekommt zu hören: "Wer mit den Bedingungen nicht einverstanden sei, könne nicht mehr für die Süddeutsche schreiben."                                                           Abschiedshilfe


18.4.2017

Quo vadis veritas?

 

Das klingt gut: Dietrich Mateschitz, Gründer und Chef von Red Bull, rief kürzlich die Stiftung „Quo vadis veritas“ ins Leben mit dem Ziel, eine – von der Firma unabhängige – journalistische Internetplattform (Anm.: Addendum) zu schaffen. Mateschitz wolle „dem Vertrauensverlust in Institutionen, Politik und Medien entgegenwirken, der nicht zuletzt auf einseitige und wegen Ressourcenmangel unvollständige Berichterstattung durch die ‚vierte Säule im Staat‘ zurückzuführen ist“, so die NZZ. Die Plattform will „näher an die Wahrheit heranzukommen“: indem Infos geliefert, aber keine Meinungen ausgebreitet werden. Eckpfeiler: Individualismus, Nonkonformismus und die Ermutigung an Bürger, sich eine eigene Meinung zu bilden. Da Mateschitz eine realistische Sicht auf die Flüchtlingspolitik pflegt, spucken hiesige „Redakteure“ bereits Gift und Galle, wie aus diesem peinlichen Focus-Beitrag ersichtlich, der ebenso gut aus der Feder eines aggressiv-pubertierenden Jugendlichen hätte stammen können. Mehr Infos zum Projekt gibt es hier.

 

Nachtrag vom November 2020: "Addendum wurde am 15. September 2020 eingestellt." 


15.3.2017

Journalistisches Glanzstück…

 

in der Basler Zeitung, die lieber gar nicht sein will, als staatlich subventioniert. „Denn die Krise der Medien ist sicher um nichts größer als die Krise der Linken – Wer ist da wirklich in der Defensive?“ Ohnehin ist es einfacher, die Güte von Würsten zu kontrollieren als die Ausgewo-genheit eines Journalisten. Klar ist: „Wer miserabel schreibt, falsch berichtet, einseitig kommen-tiert“, geht verdient unter. Nicht staatliche Kommissionen, sondern selbst entscheidende Leser schützen die Qualität der Presse. „Deshalb muss uns Journalisten, Chefredaktoren und Verlegern nichts mehr bedeuten als die Freiheit, uns abzubestellen.“ Eine reife Leistung, Chapeau!


11.3.2017

Idioten statt Heilige Narren

 

Die Öffentlichkeit wird also weiter mit der Causa Böhmermann belästigt, da Beschwerde gegen das Hamburger Urteil eingelegt ist, das Teile seiner Schmähkritik verboten hat. Manchen mag es längst die Sprache verschlagen haben in Anbetracht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Böhmermanns rassistischen Schmierzettel als satirisches Kunstwerk hoch stilisiert und den Autor mit Auszeich-nungen bejubelt. Es kann sich daher lohnen in altmodischen Begriffen zu stöbern, um sich der Sprache wieder zu bemächtigen. Tor, zum Beispiel, außerhalb der Fußballrhetorik, ist solch ein Wort, das eine Renaissance verdient hätte. Der Tor als einfältiger Mensch, der selbst aus Erfahrungen nicht klug wird und ungeläutert aus diesen hervorgeht. Oder: „Eine Person, die etwas nicht nachvollzie-hen kann, solange sie es nicht selbst erlebt hat.“ Eine kurzweilige Überleitung zur Satire im echten Sinne bietet Telepolis unter dem Titel „Die Torheit ging, die Idioten blieben“ mit einem Abstecher zu Erasmus von Rotterdam und dessen „Lob der Torheit“; dazumal mit positiver Konnotation: „Heilige Narren“, solange das satirische Schrifttum humanistischen Prinzipien folgt. Heute bekomme die Torheit keine Chance mehr. „All ihre Allerweltsprotagonisten taugen nicht mal mehr zu Antihelden. Sie sind nur noch Abziehbilder und Steilvorlagen für schale Witze, die vornehmlich unter die Gürtellinie zielen.“ Eine Literatur aber, die von Humanismus nichts weiß, sei nicht zur Ironie fähig. Auch interessant: theologische Aspekte zur Torheit. Wer dafür offen ist, wird hier und dort fündig.


7.2.2017

Wer stoppt die Medienkrieger? 

 

Das siegesgewisse Gehabe der aufgetretenen Journalisten im Presseclub am Sonntag reiht sich geschmeidig ein in diverse Ankündigungen, dass der US-Präsident ohnehin bald gestürzt werde. „Expertin: Trump wird noch dieses Jahr gestürzt“, titelt etwa OE24 und listet auf, wie „man den neuen US-Präsidenten wieder loswerden“ könne. Als „anerkannte Expertin“ wird aufgeführt: die bis dato gemeinhin völlig unbekannte „Amerika-Expertin Angelia Wilson von der University of Manchester“. Welchem Spektrum die Politikprofessorin zuzuordnen ist, zeigt eine einfache Google-Recherche. Im November 2014 etwa erschien im „Centre for Interdisciplinary Gender Studies“ ihr Beitrag „Why Europe is Lesbian and Gay Friendly (and why America never will be)“, den sogleich unter anderen das Käte Hamburger Kolleg dankbar aufnahm. Der vom Presseclub angestoßene Tabubruch in Bezug auf die Pathologisierung des US-Präsidenten war übrigens zielgerichtet, wie man beim gestrigen Plasberg, der Fortsetzung des Tribunals, erfahren konnte: Da es in Bezug auf Trumps Amtsenthebung „tatsächlich schwierig“ sei einen Anfangsverdacht für eine Straftat zu finden, werde in Amerika über den 25. Verfassungszusatz über die Amtsunfähigkeit des Präsidenten diskutiert. Absatz 4 „regelt eine Übertragung der Amtsgeschäfte für den Fall, dass ein Präsident die Amtsunfähigkeit nicht selbst erklären kann, weil er z.B. im Koma liegt, oder nicht erklären will, etwa unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung“, schreibt der Spiegel den Trump-Gegnern ins Notizbuch, um „ihren Albtraum zu beenden“. Die Bagage ist wohl wieder dabei, ebenso wie in der Causa Wulff, kindische Wetten darauf abzuschließen, wie lange Trump noch im Amt bleibt; anstatt sich um hiesige Probleme zu kümmern. Erbärmlich und hochgradig gemeingefährlich. 

 

Nachtrag: Die asoziale Medienmeute bei der Bild-Zeitung drückt aufs Gas: „Make porn great again - Trump-Double für Sex-Parodie gesucht". 


28.1.2017

But some are more equal than others

 

Nach Lektüre folgender Worte könnte man fast meinen, die politischen Hatespeech-Fanatiker seien zur Besinnung gekommen: „Sowohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) haben wiederholt betont, dass der Freiheit der Meinungsäußerung sogar ein größeres Gewicht zukommt, wenn von einer Äußerung ein Politiker oder ein Repräsentant des Staates betroffen ist…Die erhöhte Strafandrohung beruht auf einem überholten kooperatistischen Staatsverständnis, welches die einzelnen Bürgerinnen und Bürger auch im Hinblick auf die Erfüllung staatlicher Aufgaben mit in die Pflicht nimmt…Es entspräche einem modernen Grundrechtsverständnis, beleidigende Angriffe von Bürgern auf Staatsorgane auf der interpersonalen Ebene der Beleidigungsdelikte zu belassen.“

 

Schon wenige „Anwendungsfälle zeigen, dass tatbestandlich als Beleidigung von Organen und Vertretern“ von Staaten anzusehendes Verhalten „regelmäßig im Kontext der Meinungsfreiheit gesehen werden muss“. „Insofern ist aber zu berücksichtigen, dass das Recht, Maßnahmen von staatlichen Einrichtungen ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf zu kritisieren, zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört (vgl. BVerfG, NJW 1992, 2815).“ Klingt gut. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um die Begründung für eine Rücknahme der Forderung nach schärferen Gesetzen gegen die nebulöse Hatespeech, sondern um den Text im aktuellen Gesetzentwurf zur Aufhebung des § 103 Strafgesetzbuch ‒ Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten. Deutsche Politiker sind halt was ganz besonderes. 


20.1.2017

Allparteilicher Journalismus

 

Was wäre erforderlich, um einen Journalismus, der sich „bei der Berichterstattung über Konflikte allparteilich verhält“, wieder möglich zu machen? Andreas Zumach erörtert die Frage bei der Landau Peace Lectures unter dem Titel „Konfliktsensitiver Journalismus in Zeiten von Fakenews, ‚Lügenpresse‘ und Populismus - ein aussichtsloses Unterfangen?“ Veranstaltungsort ist die KHG Landau, wo im Übrigen die Polizei am 24. Januar über Möglichkeiten des Selbstschutzes vor übergriffigem Verhalten und in bedrohlichen Situationen aufklärt. 


16.1.2017

Schwungvolle Anne-Will-Debatte

 

Es gibt doch noch taffe Journalisten, die es ins öffentlich-rechtliche Fernsehen schaffen: Düzen Tekkal sagte bei Anne Will zum Thema „Bürger verunsichert – Wie umgehen mit kriminellen Zuwanderern“, man müsse schon darüber reden, dass auch die Ethnie eine „unsägliche Rolle“ spielen kann. Äußerst problematisch sei, dass der Rechtsstaat nicht ausreichend Recht vollzieht und Kulturrabatte bei Strafverfahren vergibt, wo es vielmehr darum zu gehen habe, inneren Frieden und gesellschaftliche Werte zu schützen. Die freie Journalistin dreht Filme in No-go-Areas und gelangte mitten in Deutschland in Situationen, die sie „eigentlich aus Krisenregionen“ kennt. Auch neu Zugewanderte hätten teils die Lage „zum schlechten verändert“. Deutsche, die in gefährlich gewordenen Stadtteilen wohnen, hätten sich unterworfen oder seien ohnmächtig und wütend. Viele trauten sich auch nicht mehr zu sagen, was sie fühlen. In Bezug auf „fake refugees“ wie Anis Amri sollten nur Dolmetscher tätig werden, die loyal zu diesem Land sind und nicht zu jenem, aus dem sie kommen. Interessante Aspekte kamen von einem weiteren Gast mit Migrationshintergrund, Samy Charchira: Die Wahrheit sei, dass nicht Asylberechtigte wegen fehlender Identitätsfeststellung schlicht nicht abgeschoben werden können. Sein Lösungs-vorschlag: Amtshilfe von den betreffenden Ländern organisieren, um Identitäten festzustellen. Zur hiesigen Debatte meint der Sozialpädagoge: Abrüsten und die Probleme gemeinsam lösen.

 

Nachtrag: Lesenswerte FAZ-Kritik: Die Grünen "legen auch fest, wo die Grenzen des Sagbaren sind, wer mitreden darf, wer dazugehört und wer nicht. Sie erheben 'Inklusion' zum Staatsziel, exkludieren aber immer größere Teile der Bevölkerung – eigentlich jeden, der nicht ihrer Meinung ist...Düzen Tekkal echauffiert sich über die ethnische Bigotterie der Grünen und der Linken und macht deutlich", dass es nicht um die Herkunft, sondern um die Einstellung geht.